Night School. Der den Zweifel sät (German Edition)
in ihrer Kehle auf, sie unterdrückte ihn.
Nicht jetzt.
Dann ein Geräusch – etwas bewegte sich im starr gefrorenen Unterholz ganz in der Nähe. Ein Strauch schüttelte seinen Mantel aus Schnee ab.
Schlitternd blieb sie stehen und ging in Verteidigungsstellung, hielt den Atem an und wartete auf den Angriff.
Durchs Unterholz kam ein Fuchs hervorgekrochen und blieb genau vor ihr stehen.
Sein dichtes, rotes Fell zeichnete sich elegant gegen den weißen Schnee ab.
Er sah sie mit furchtlosen Raubtieraugen an und nahm Witterung auf.
Ihr kamen die Tränen, sie wischte sie weg.
»Du bist so schön«, flüsterte sie und streckte – blau vor Kälte – eine Hand nach ihm aus.
Seine Lippen kräuselten sich und gaben die weißen Zähne frei. Er duckte sich.
Und ehe sie die Hand zurückziehen konnte, sprang er ihr fauchend an die Kehle.
Mit einem Satz war Allie aus dem Bett, sie keuchte. Als sie endlich ganz wach war, stand sie bibbernd mit bloßen Füßen auf dem kalten Fußboden und umklammerte den Zipfel ihrer Bettdecke. Mit angstgeweiteten Augen klatschte sie auf den Schalter der Schreibtischlampe, bis das Licht endlich anging, und suchte die Ecken des Zimmers ab. Als sie sicher war, dass sie allein war, schloss sie das geöffnete Fenster und legte den Riegel vor. Zurück im Bett, zog sie die Decke wie einen Schild vor die Brust.
»Vielen Dank, liebes Unterbewusstsein«, murmelte sie, »jetzt kann ich bestimmt nie mehr einschlafen.« Aber dann schlief sie schließlich doch ein, nachdem sie noch lange wach gelegen hatte. Das Licht ließ sie brennen.
Dreizehn
Nach dem Albtraum schlief Allie äußerst unruhig und erwachte vor dem Morgengrauen. Es war noch keine sieben Uhr, als sie hinunter in den Speisesaal ging und dem Küchenpersonal dabei zusah, wie es Warmhalteplatten und Kaffeespender auftrug. Als kurze Zeit später Rachel hereinkam, saß Allie immer noch da und starrte in die Ferne.
»Mann, du siehst vielleicht schlecht aus«, sagte Rachel und ließ ihre Bücher auf den Tisch fallen. »Lass uns reinhauen. Und dann erzählst du mir, was los ist.«
Jetzt saßen sie in dem immer noch weitgehend leeren Speisesaal, vor sich Tassen mit dampfendem Tee und bergeweise Rührei und Toast, auf die Allie gar keinen Appetit hatte, die sie aber trotzdem in sich hineinschlang. Rachels bloße Anwesenheit reichte aus, dass es ihr wieder besser ging. Sie hatte sie vermisst. Es gab so vieles, das sie ihr nicht erzählen konnte – Dinge, über die sie gern gesprochen hätte. Aber immerhin, beim Frühstück rumzualbern machte Spaß.
Fast wie in alten Zeiten.
»Ich sterbe vor Hunger«, verkündete Rachel. »Das Essen gestern Abend war mir irgendwie zu abgefahren, als dass ich’s hätte genießen können. Das war eher so was zum … Einrahmen und An-die-Wand-hängen. Mehr so moderne Kunst. Was machst du überhaupt so früh hier unten?«
»Konnte nicht schlafen«, sagte Allie und gähnte. »Ich bin gestern Abend laufen gewesen und hatte voll die Albträume danach. Ich hab vielleicht ein Zeug zusammengeträumt! Ich bin im Traum auch gelaufen, und dann hätte mich fast so ein Fuchs aufgefressen.« Sie trank einen wärmenden Schluck Tee.
»Ein Fuchs hat dich gefressen?« Rachel sah beeindruckt aus. »War’s schön blutig? Hat’s wehgetan?«
Allie musste daran denken, wie sie bibbernd und allein in ihrem Zimmer gestanden hatte. »Ich bin aufgewacht, als er angefangen hat, mein Gesicht aufzufressen.«
»M-mh, fressen.« Rachel schaufelte Rührei in sich hinein. Als Allie nicht lachte, sah sie sie fragend an. »Normalerweise fressen Füchse keine Menschen, weißt du. Sie fressen nie Menschen, sollte ich vielleicht betonen. Dein Traum-Ich war wahrscheinlich zu lecker, sodass dieser spezielle Traum-Fuchs ihm nicht widerstehen konnte. Das heißt doch nur, dass er dich gern hat. Zum Fressen gern.«
So trostlos ihr zumute war, Allie musste doch lächeln. »Er? Vielleicht war es ja eine Füchsin.«
»Lesbische Träume von Füchsen – du bist ja zu allem fähig! Mich würde interessieren, was Freud dazu gesagt hätte«, sagte Rachel.
»Ich hätte lieber einen Sextraum gehabt«, brummte Allie über ihrem Teller. Dann blickte sie auf und sah Rachel an. »Apropos Sex … Du und Lucas. Was läuft da eigentlich? Läuft da was? Da läuft doch was!«
Rachel wurde rot. Sie wurde
tatsächlich
rot.
Allie machte große Augen. »Da läuft was – ich seh’s dir doch am Gesicht an! Ich will alles wissen, aber sofort.«
Schüchtern
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