Nightschool. Du darfst keinem trauen
trotz der natürlichen Kühle von Steinboden und -wänden strahlte der Raum Wärme aus.
Allie blieb bei der Tür stehen und konnte kaum fassen, was sie sah.
»Meine Fresse!«, entfuhr es ihr.
Jo sah sie wissend an: »Krass, oder?«
Zögernd ging Allie in die Mitte des Raums und sah sich um. Die Wände waren mit Malereien bedeckt, bei denen es sich teils um Inschriften – offensichtlich Gedichte – und teils um Bilder handelte. Die Farben waren im Lauf der Zeit verblichen und schimmerten nun rostrot, elfenbeingelb und grauschwarz. Man konnte sich leicht vorstellen, wie sie einmal geleuchtet haben mussten.
»Am irrsten find ich das hier«, sagte Jo und ging zu einem Bild im hinteren Teil der Kapelle, auf dem ein Teufel mit Dreizack, unterstützt von hämisch dreinblickenden Dämonen, die verdammten Seelen schrecklichen Schicksalen zutrieb.
Allie zog die Nase kraus. »Igitt.«
»Ganz genau. Das hier ist schöner.« Jo deutete auf eine Malerei in der Nähe, die eine knorrige Eibe mit Früchten und Vögeln zeigte. Die Wurzeln waren so ineinander verschlungen, dass sie die Worte »Baum des Lebens« bildeten.
Rings um die Wandmalereien standen Inschriften in verschiedenen alten Sprachen und Schriften. Allie betrachtete eine in kyrillischen Buchstaben.
»Kannst du das lesen?«, fragte sie Jo.
»Zum Teil.« Jo deutete auf die Wand hinter der Chorschranke. »Manches ist Griechisch. Und das ist irgendeine Form des Gälischen. Aber das meiste ist Latein.«
Über der Tür war ein Text in eleganten roten Buchstaben aufgemalt. Die Farbe war so kräftig, dass Allie sich fragte, ob sie vor Kurzem restauriert worden war. Sie trat etwas zurück, um sie besser sehen zu können.
» Exitus acta probat «, las sie und sah Jo fragend an. »Weißt du, was das bedeutet?«
»Wörtlich: Der Ausgang bestätigt die Taten. Also: Der Zweck heiligt die Mittel«, erwiderte Jo ohne Zögern.
Allie schaute auf die Inschrift.
»Was soll ’n das heißen?«, grübelte sie. »Für einen Willkommensspruch in einer Kapelle ist das ein bisschen komisch.«
»Keine Ahnung«, sagte Jo.
Allie sah ihr einen Moment lang skeptisch zu, wie sie durchs Kirchenschiff tänzelte, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit der aufwendigen Darstellung eines Drachens zu, dessen Schwanz sich fast bis zum Boden ringelte, während eine Taube knapp außerhalb der Reichweite seiner Klauen flog.
»Wahnsinn«, wisperte sie.
»Können wir dann gehen? Jetzt, wo ihr alles gesehen habt.« Allie fuhr zusammen. Im Türrahmen lehnte Carter, die Arme locker gekreuzt, die Augen wachsam.
»Carter! Mann, hast du mir einen Schreck eingejagt!«
Erstaunlicherweise war sie trotzdem erleichtert, ihn zu sehen. Jo machte sie schon ganz kirre, jetzt konnten sie wenigstens gemeinsam zurückgehen. Zu dritt fühlte sie sich irgendwie sicherer.
Das brauchte er aber nicht zu wissen.
»Das ist keine Art, sich so an jemand ranzuschleichen«, sagte sie säuerlich.
Sein Blick war cool. »Ich hab mich nicht rangeschlichen. Ich bin ganz normal gegangen. Oder seid ihr anders hergekommen?« Als er sich Jo zuwandte, wurde seine Stimme wärmer. »Wie geht’s, Jo?«
Jo stand am anderen Ende der Kapelle und tat, als würde sie intensiv ein Bild betrachten.
»Uns geht’s gut, Carter, danke. Du kannst Gabe ausrichten, dass ich seine Hilfe nicht brauche.« Ihre Stimme war fest, doch sie schaute ihm nicht in die Augen und ihr Kiefer war trotzig angespannt.
Carter machte eine beschwichtigende Geste. »Na, hör mal, ich bin doch nicht Gabes Laufbursche. Aber draußen wird’s bald dunkel, und da dachte ich, biete den Damen doch deine Begleitung an. Sucht Gabe denn nach euch?«
Jo warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Gib’s auf, Carter. Ich weiß, dass er dich geschickt hat. Er schickt immer jemanden hinter mir her.«
»Ehrlich, Jo, Gabe weiß nicht, dass ich hier bin«, sagte Carter. »Kann es sein, dass ihr euch gestritten habt?«
Sein Gesicht war so ernst, dass Allie geneigt war, ihm zu glauben. Jo hingegen wich so weit wie möglich zurück an den Altar.
»Kann sein«, sagte sie kühl.
Allie tat, als würde sie die Malereien betrachten, und näherte sich auf diese Weise langsam Carter, der noch immer an der Tür stand.
Während sie konzentriert das kostbare Bildnis einer weißen Rose betrachtete, flüsterte sie: »Wie hast du uns gefunden?«
»Ich bin euch gefolgt«, antwortete er genauso leise.
Ihre Blicke trafen sich, dann sahen beide weg. Allies Haut kribbelte.
Er deutete mit
Weitere Kostenlose Bücher