Nightschool. Du darfst keinem trauen
ihr eiskalt den Rücken herunterlief. »Was ist denn das für ’ne Frage? Was hat der damit zu tun, wie du mich behandelst?«
»Nichts«, entgegnete er, doch seine Augen sagten etwas anderes. Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen, und Allie konnte förmlich spüren, wie sich alles in ihm anspannte, ehe er weitersprach. » Alles! Wie kannst du nur so blöd sein? Ich hab dich für klug gehalten, aber du bist einfach genauso blöd wie die anderen Mädels auch. Du hast nicht den blassesten Schimmer, wer er ist und was das hier für eine Schule ist, und trotzdem knutschst du hier in aller Öffentlichkeit mit ihm rum.«
Ihre Augen weiteten sich.
»Aber das stimmt doch gar nicht. Ich…«
»Was stimmt nicht?«, fuhr er sie an. »Dass du auf Sylvains schöne Worte reinfällst? Wirklich? Für mich hat das aber verdammt danach ausgesehen.«
Carter war derart aufgebracht, dass Allie leicht panisch wurde, während sie versuchte, vernünftig mit ihm zu reden. »Ich versteh das einfach nicht, Carter. Ob ich mit Sylvain gehe oder nicht, kann dir doch völlig egal sein. Du hasst mich doch sowieso.«
Er war so nahe an sie herangetreten, dass sie seinen Atem auf der Wange spüren konnte. Er roch nach Kaffee und Gewürzen. »Du glaubst, dass ich dich hasse?« Seine tiefen, dunklen Augen sahen sie unverwandt an. »Das tu ich nicht. Ich hab dich einfach nur für schlauer gehalten.«
Als sie den Mund aufmachte, um ihm zu widersprechen, legte er sachte einen Finger auf ihre Lippen. Sie sah ihn einen langen Augenblick an. Auf der Zunge konnte sie seine salzige Haut schmecken. Leise fluchend drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte davon.
»Die große Preisfrage ist: Haare hochstecken oder lieber offen lassen?« Jo hielt einen breitzinkigen Kamm in der Hand und betrachtete eingehend Allies Kopf. Es war Samstagmorgen, und sie befanden sich in Jos Zimmer. Allie saß vor dem Spiegel. Um sie herum lauter Abendkleider aus Allies Garderobe und Schuhe aus Jos Beständen. Jo hatte darauf beharrt, dass sie »proben« mussten für den großen Auftritt.
Allie wickelte sich eine Strähne um die Finger und ließ sie wieder los. »Ist das so wichtig? Der Ball ist in zwei Wochen, und Sylvain hat mich immer noch nicht gefragt, ob ich mit ihm hinwill. Ich könnte mir geradeso gut die Haare grün färben und mir einen Iro rasieren.«
Jo hielt ein Paar Schuhe an ein Kleid, begutachtete die Kombi und versuchte es darauf mit einem anderen Paar. »Sylvain wird dich fragen«, sagte sie. »Das weiß ich aus sicherer Quelle.«
Allie sah sie hoffnungsvoll an. »Wirklich?«
»Wirklich.« Jo richtete anklagend einen Kitten-Heel-Pump auf sie. »Also, jetzt sag doch mal: Haare hoch oder offen?«
»Äh … weiß nicht.« Allie nahm eine Bürste in die Hand und fuhr sich damit durch die Haare. »Und … mit wem geht Lucas zum Ball?«
»Lisa natürlich.« Jos Stimme klang dumpf, weil sie gerade ein weiteres Paar eleganter Schuhe aus dem Schrank hervorkramte.
»Und Carter?«
»Er hat Clare gefragt, hab ich gehört.« Jo stellte die Schuhe ab. »Hoch wäre besser, glaub ich.«
»Gut, dann stecke ich sie hoch. Wer ist diese Clare?«
»So ’ne Kleine, Blonde, Hübsche. Sitzt bei uns in Bio in der dritten Reihe. Und ich glaub, ihr habt auch Englisch zusammen. Er hat sie letztes Jahr aufgerissen und dann abserviert. Alle waren sauer auf ihn, weil sie echt ’ne Süße ist. Aber wie’s aussieht, geht da wieder was.«
Allie betrachtete sich im Spiegel. Kann mir doch egal sein, mit wem Carter geht.
Sie schob sich die Haare hoch. »Der Drecksack. Ja, du hast recht. Hochstecken könnte gehen.«
Jo lächelte. »Prima. Wenn wir erst mal das Kleid ausgesucht haben, weiß ich schon, was ich damit anstelle.« Sie breitete die drei Abendkleider auf dem Bett aus und studierte sie kritisch. »Alles klar. Ausziehen und anprobieren. Heute wird entschieden.«
Das erste Kleid, das Allie anprobierte, war schwarz und passte. Es streifte ihre Knöchel, war rückenfrei und vorne hochgeschlossen. Und sah unglaublich raffiniert aus.
»Wunderbar«, sagte Jo und musterte die Linie des Kleids. »Nur ein bisschen zu alt für dich.«
»Aber echt. Da seh ich ja aus wie dreißig.« Allie streifte sich das Kleid über den Kopf und warf es zurück aufs Bett. Das nächste Kleid war weiß und hatte einen langen, geraden Schnitt und Spaghettiträger.
»Hinreißend!«, verkündete Jo. »Sommerlich. Jungfräulich.«
Allie zog die Nase kraus und drehte sich ein paar Mal vor
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