Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
werden ihre Parfüms: Sie konzipiert die Düfte und entwirft dazu passende Flakons. Allein diese Parfüms, wird sie später im Rückblick feststellen, liefern ein Drittel der gesamten benötigten Summe!
Mit der Urmutter verschmelzen
In der Zwischenzeit nehmen die Bauarbeiten ihren Lauf. Niki wohnt in Capalbio, kann es aber kaum erwarten, bis sie in die »Kaiserin« einziehen kann â die riesige bewohnbare Nana-Skulptur, die daliegt wie eine ägyptische Sphinx: halb Mensch, halb Löwin, mit vollen Brüsten, einem runden Hinterteil und groÃen Tatzen.
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In die eine Brust kommt die Küche, in die andere das Bad, und die Brustwarzen sind zwei runde Fenster, von denen aus ich aufs Meer blicken kann. Den groÃen Innenraum kleidet Ugo mir rundum mit unendlich vielen Spiegelscherben aus. Dort hinein stelle ich einen langen Tisch mit Stühlen, an dem wir alle täglich unsere Frühstückspause machen und unsere Arbeit besprechen.
Schon immer habe ich mir gewünscht, einmal in einer Nana-Skulptur zu leben und in die »Urmutter« zurückzukehren. In der
kühlen Jahreszeit zünde ich im Kamin ein Feuer an. Dann flackert das Licht tausendmal gebrochen in all den Spiegeln. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kinderzeit, als ich in unserer verspiegelten Wohnung zu »schweben« begann. »Ich werde imaginäre Räume machen, Märchenräume, eines Tages, wenn ich aus diesem goldenen Zoo ausbreche«, habe ich mir damals gesagt. Dieser Raum hier wird mein Atelier, in dem alle weiteren Ideen und Figuren entstehen.
Das Tarot
Für die Figuren ihres mythologischen Gartens hat Niki sich von den Karten des Tarot-Spiels inspirieren lassen. Diese jahrhundertealten Spielkarten werden zum Vorhersagen der Zukunft benutzt. Denn die Karten â es gibt 22 sogenannte groÃe Arkana â stellen in symbolischen und allegorischen Figuren alle wichtigen Aspekte des Lebens dar. »Arkana« heiÃt übersetzt »Geheimnis«. Es geht hier also um die Geheimnisse des Lebens und des Kosmos und um das tiefere Verstehen der allumfassenden Zusammenhänge.
Nikis Figuren
Dabei formt Niki all ihre Figuren natürlich nach ihren eigenen Vorstellungen und keinesfalls genau so, wie sie auf den Karten abgebildet sind.
Gleich wenn man den Anstieg zum Garten hinter sich gebracht hat, sieht man die Hohepriesterin und den Magier. Das sind die »Experten« für die Spiritualität und Unerklärliches â und zwar als Frau und als Mann. Niki findet, dass die beiden eng zusammengehören, und hat deshalb zwei übereinander liegende Köpfe entworfen: Unten ist die Hohepriesterin, die gleichzeitig den Körper des Magiers bildet. Aus ihrem gewaltigen Mund flieÃt Wasser, das lebensspendende, urweibliche Element, in ein groÃes Becken hinein. Eine groÃe Schlange beschützt die Hohepriesterin.
»Dies ist ein weibliches Reich«, signalisiert diese Doppel-Figur also gleich am Anfang dem Besucher. Im Becken steht das »Rad des Lebens«, eine Skulptur von Jean.
Rechts daneben stellt Niki die »Sonne«. Niki stellt sie durch den Sonnenvogel dar â das Wesen, das der Sonne am nächsten kommen kann. Seine Flügel formt sie nicht massiv, sondern wie aus dicken Schnüren zusammengesetzt mit groÃen Löchern dazwischen. Man kann hindurchschauen, und die Luft wird zum Teil der Figur. Dies ist der neueste Skulpturentyp, den Niki entwickelt hat. Sie nennt ihn ihre »Skinnies« (die Dünnen). Der Vogel thront auf einem groÃen blauen Bogen â dem Himmel â, unter dem man nun hindurchgeht, um den Rundweg zu beginnen.
Man passiert den Hohepriester, den Lebensbaum mit dem »Hängenden« darin und gelangt zur Gerechtigkeit. Sie ist eine riesige schwarz-weiÃe Nana, deren groÃe Brüste die Waagschalen bilden. In ihr drin steht â hinter einem fest verschlossenen Gitter sicher eingesperrt â die »Ungerechtigkeit«, eine Skulptur von Jean.
Dann kommt man zum Schloss des Kaisers. Man sieht also nicht ihn selbst, sondern nur seine Statussymbole, auf die viele Männer solchen Wert legen, meint Niki. Dazu gehört auch eine leuchtend rote Rakete mit verspiegelten Flügeln â Teil des Waffenarsenals. Der Innenhof des Schlosses aber ist mit seinen 22 Säulen wunderbar gestaltet mit vielen Details in allen Farben und Formen. In der Mitte steht
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