Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
durch Wälder. Die Luft tut ihr gut. Als sie wieder heimkommt, setzt sie sich hin und malt â so, wie sie es früher auch schon immer getan hat, wennâs ihr schlecht ging.
»Warum liebst du mich nicht?«, malt sie in schönen Buchstaben auf ihr Papier und setzt darunter ein Bild von sich.
»Warum liebst du sie?«
»WeiÃt du, dass ich dich liebe?«
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Bild 9
Für den Lebensretter-Brunnen in Duisburg entwarf Niki dieses majestätische, vogelähnliche Fabelwesen, an das sich eine Frauenfigur klammert. Der Sockel aus Maschinenteilen von Jean Tinguely lässt die Figur hin und her drehen.
Das Leben geht weiter
Doch das Leben geht weiter. Niki reist erst einmal nach Indien, um auf andere Gedanken zu kommen. Dann steht Südfrankreich an. Dort nimmt sie die drei Häuser für Rainer in Angriff und lässt ihrer überbordenden Fantasie so richtig freien Lauf. Es gibt Niki Halt, hier in den südfranzösischen Bergen gemeinsam mit Rico Weber, der ein guter Freund geworden ist, in Ruhe zu arbeiten.
Zu Hause in Soisy zeichnet sie dann weitere Bilder-Briefe an Jean.
»Wir werden nicht mehr in einem Haus zusammen leben«, schreibt und malt sie da traurig.
»Monteverdi werden wir nicht mehr zusammen anhören.«
»Kein gemeinsames Bad mehr nehmen.«
»Keinen Bloody-Mary-Cocktail mehr zusammen trinken.«
»Unsere geplante Afrikareise nicht machen.«
»Keine Blumen mehr von dir.«
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Uralt-Niki: Ich liebte ihn so sehr!
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Und in Nikis Atelier entstehen nun aus Polyester bunte überlebensgroÃe Köpfe mit sehr ausdrucksstarken Gesichtern.
Ich denk an dich,Tante Hélène â¦
Doch Niki hat sich getäuscht. Sie bekommt auch in Zukunft Blumen von Jean. Vorzugsweise dann, wenn er meint, sie wieder versöhnlich stimmen zu müssen â und sie kann ihm schlichtweg nie sehr lange böse sein. Bloody Marys trinken sie auch bald wieder zusammen, und sie werden sogar heiraten im nächsten Jahr, am 13. Juli 1971. Dafür bekommt Micheline 1973 von Jean ein Kind.
So führen sie ein Leben zu dritt â Micheline in der Schweiz, Niki in Frankreich und Jean mal hier, mal da. Manches Mal denkt Niki dabei an ihre Tante Hélène â¦
Auch Niki arrangiert sich mit der Situation. Sie verbündet sich sogar mit Micheline.
»Er ist eben mit dem Wagen losgefahren. In rund fünf Stunden wird er bei dir sein«, hat Micheline gerade eben wieder aus der Schweiz telefoniert.
»Okay, danke. Ich meldâ mich dann, wenn er hier wieder losfährt.«
Jean taucht nämlich immer ganz gern unangekündigt auf, um sicher zu sein, dass weder Niki noch Micheline einen Liebhaber haben. Dieser Schuft. Aber Niki nimmtâs mit Humor und frohlockt insgeheim darüber, dass Micheline und sie sich von ihm nicht für dumm verkaufen lassen.
Geheimnis im Wald
Und immerhin hat Niki mit Jean noch ihre gemeinsame Kunst. Seit letztem Jahr brütet Jean ein groÃes Gemeinschaftsprojekt aus, das in der Nähe der »Commanderie« im Wald realisiert werden soll. Still und heimlich beginnt hier der Kopf eines mächtigen einäugigen Riesen-Zyklopen zu entstehen. 20 Meter hoch wird er sein, wenn er fertig ist. Er erhält auÃerdem ein reiches Innenleben, das von verschiedenen Künstlern gestaltet wird. Beteiligt werden Rico Weber, Bernhard Luginbühl (ein Schweizer Bildhauer, den Jean schon lange kennt), dessen Assistent Paul Wiedmer, Eva Aeppli, Larry Rivers, Daniel Spoerri, Niki natürlich und der professionelle SchweiÃer Josef (Seppi) Imhof.
Das Zusammentreffen all dieser kreativen und klugen Menschen im Wald zaubert rund um das Projekt eine ganz besondere Stimmung. Niki genieÃt es sehr, dort an der Baustelle zu sein. Sie wird am Ende das Gesicht gestalten.
Und noch etwas entsteht durch den Zyklopen: ein eingespieltes, technisch sehr versiertes Team von lauter Freunden, das Niki alsbald ihr »All Swiss Star Team« tauft. Es wird ihr bei der Umsetzung kommender Projekte zur Seite stehen.
Verschlingende Mütter
Wenn Jean weg ist, findet Niki die Ruhe, ihre eigene Kunst weiterzuentwickeln. Und wieder wachsen unter ihren Händen ganz neuartige Figuren heran. Diesmal sind es abstoÃende, unförmige Frauen.
Upps, die gibtâs also auch?
Niki nennt sie ihre »Verschlingenden Mütter«.
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Als teigige Klumpen sitzen sie da, träge,
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