Nizza - mon amour (German Edition)
ist zu wundersam, um ihn sich verderben zu lassen, etwa durch die ausstehenden Honorare des Verlegers. Eigentlich schwebt man und meint die Stille zu hören, das Atmen des Meeres; das (gewiß täuschende) Gefühl, die Welt sei weit, weit weg, hebt einen über Sorgen, Gebrechen und Kümmernisse, als plustere der Wind vom Meer einem die Flügel auf, trage einen fort von Yacht-und Konto-und Villen-Gedanken. Es mag bigott klingen; aber dieser Pfad entlang der reichsten Küste der Welt verleiht Leichtigkeit, Frohsinn und Freiheit. Wer dann noch sich die Muße gönnt, an der beschaulichen Paloma-Beach zu schwimmen, weiß nicht nur, »das Meer gehört auch mir«, sondern schwimmt ins Glück.
Dabei geschieht (mir) etwas Seltsames. Den nun allerschönsten Spaziergang Nizzas bietet nämlich gar nicht Nizza, sondern ein kleines Städtchen, das nur meine Ungezogenheit, Nizza zu »erweitern«, mit einbezieht: Cap d’Ail. Man muß von Cap Ferrat in Richtung Monte Carlo weiterfahren, Cap d’Ail ist eigentlich schon ein Vorort von »Monte«, und es gilt in der Mitte des Ortes abzubiegen hinunter zum Meer, am besten dem Schild »La Pinède« folgend (das ist ein liebevoll direkt über dem Wasser zurechtgezimmertes unprätentiöses Restaurant): enge und steile Serpentinen hinunter – dann geht der Vorhang hoch zur großen Überraschung. Und die ist ohne Neid – man kann ja auf große Oper nicht neidisch sein, nicht auf »La Traviata« oder »Don Giovanni«. Neid gilt, scheint mir, stets nur dem – wenn auch in kühnsten Träumen – Erreichbaren, nicht der unendlichen Ferne, der überragenden Größe. Wer da will, mag – ist er Schriftsteller – auf Martin Walser neidisch sein; wer es auf Goethe ist, bleibt ein Narr. So sind die hoch da droben auf den ragenden Felsen errichteten Prunksitze, in denen Sascha Guitry lebte, die irgendein Märchenprinz erbaute, in denen die Garbo zu Gast war, gleichsam dem Irdischen entrückt; wenngleich mit Geschmack in mächtige Parks eingebettet, die abschirmenden Hecken aus Agaven und Kakteen mit so fett-dicken Blättern, daß die jungen Liebespaare von heute ihre Namen wie in Baumrinden in sie hineinpunzieren.
Ein bequem-breiter Weg führt unter diesen Residenzen direkt am Meer entlang – vor dem schon mal in perfektem Deutsch gewarnt wird »Übergang der duch unruhiges Meer verboten wurde« oder »Achtun Nicht den im Wasser arbeitenden Maschinen zu nahe treten, denn sie arbeiten für Sie«. Zu nahe treten kann und konnte man da wohl niemandem, allenfalls mit Kinderaugen bestaunen kann man so eine weiße »Villa The Rock«, sie wirkt so »ungeheuer oben« wie jene von Brecht besungene Wolke, ist vielleicht aus der – Stein gewordenen Ballade – herabgestiegen. Solche Anwesen, die von vergangenen Zeiten singen, gibt es an der ganzen langen Küste mancherlei; so viele und vielfältige wie unten am Küstenabschnitt von Cap d’Ail selten. Madame Cornélie möge uns verzeihen. Deren Mann – ein reicher Holländer namens Hugh Hope Loudon – ließ ihr zu Ehren (und auf das Anagramm Eilenroc getauft) von Charles Garnier, dem Architekten der Pariser Oper, einen riesigen Palast am Cap d’Antibes hinzaubern: elf Hektar Land, das dieses ziemlich einmalige Juwel zwischen den kostbarsten und seltensten Bäumen und Pflanzen fast verschwinden ließ. »Ließ« ist insofern falsch, als das für die vorige Jahrhundertwende galt, für spätere Jahre noch, als Rudolf Valentino hier dinierte und der Fabelsitz mit Hilfe des Restaurators von Versailles erneuert wurde. »Läßt« ist richtiger, denn im Wechsel der Zeit wechselten auch die Besitzer und ihre Gäste, Maharadschas, Politiker, Künstler, Schriftsteller – bis die letzte Inhaberin Madame Hélène Beaumont 1982 alles der Stadt schenkte. »Ließ« – »läßt«: Die Vergangenheit ragt manchmal auch in die Gegenwart hinein; eine eher dürre Notiz gibt Auskunft: »Les jardins sont ouverts au public les mardis et mercredis«.
Ein wenig erinnert an solche monumentalen Selbstfeiern auch das märchenhaft zwischen den kleinen Hafenbuchten von Théoule und Napoule gelegene »Château de la Napoule«, das in den 20er Jahren von dem amerikanischen Millionär Henry Clews gekauft und restauriert wurde: ein ehemals mittelalterliches Fort mit Gartenanlage und im 19. Jahrhundert hinzugefügter Terrasse – heute ein kleines Restaurant. Leider aber hatte Mr. Clews wie so viele Reiche den Ehrgeiz, Künstler zu sein; so wurden ein falsch-gotischer Speisesaal mit von
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