No Copyright. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift. (German Edition)
persönlichen Geschmack und seiner Neugier leiten lassen kann.
In Kapitel 4 versuchen wir, anhand von kurzen Fallstudien deutlich zu machen, wie unsere Vorschläge sich konkret auswirken würden und in unserem Schlusskapitel werden wir zudem Anstöße dazu geben, wie die Wissensproduktion im Bereich der Arzneimittelforschung neu organisiert werden könnte.
Uns ist bewusst, dass wir nicht unerhebliche Eingriffe in den Markt vorschlagen. Auf wichtigen Teilmärkten der nationalen und internationalen Ökonomien – denn genau das sind die jeweiligen Kulturwirtschaften – wollen wir die Geldströme beträchtlich aufsplitten. Das würde eine gewaltige, ja eine beispiellose Umstrukturierung von Kapital mit sich bringen. Die Konsequenz wäre, dass die Kultur- und Medienindustrien, die derzeit noch Milliardenumsätze machen, kaputtgehen würden. Kaum jemand hat bislang ähnlich konsequent wie wir versucht, für den Bereich der Kultur völlig neue Marktverhältnisse zu denken und die theoretischen Grundlagen dafür zu legen.
Umso angenehmer war die Überraschung, am 6. Juni 2008 in der New York Times auf einen Beitrag von Paul Krugman zu stoßen, der wenige Monate später den Wirtschaftsnobelpreis erhielt: »Bit für bit wird nach und nach alles digitalisiert, was digitalisiert werden kann, wodurch es immer leichter wird, geistiges Eigentum zu kopieren, und immer schwieriger, es zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Wir werden also Geschäftsmodelle und Wirtschaftsformen finden müssen, die dieser Realität entsprechen.« Solche neuen Geschäftsmodelle und Wirtschaftsformen möchten wir in diesem Buch vorstellen.
Wie die Kapitelübersicht zeigt, ist dieses Buch nicht dazu gedacht, die Geschichte oder die Funktionsweise des geltenden Urheberrechts zu erklären. Das lässt sich in vielen hervorragenden Publikationen nachlesen, denen auch wir uns verpflichtet wissen (zum Beispiel Bently 2008, Dreier/Hugenholtz 2006, Goldstein 2010, Nimmer 1988, 1994, Ricketson 2006, Sherman 1994). Grundlagen des Urheberrechts und eine Darstellung der mit ihm im Zusammenhang stehenden Kontroversen kann man auch bei Wikipedia nachlesen, zum Beispiel unter http://www.wikipedia.org/wiki/copyright .
Wir sind weder Kulturpessimisten noch -optimisten. Unsere Triebfeder ist blanker Realismus: Wenn das Urheberrecht und die heutigen Marktverhältnisse sich nicht mehr rechtfertigen lassen, müssen wir überlegen, was wir daran ändern können. Auch mit der Unterscheidung zwischen Hochkultur und Unterhaltung, zwischen elitärer Kunst und populärer Massenkultur können wir nicht viel anfangen. Ein Film ist ein Film, ein Buch ist ein Buch, ein Konzert ist ein Konzert. Im Kern stellt sich die Frage: Welche Voraussetzungen gelten für die Produktion, den Vertrieb, die Vermarktung und die Rezeption schöner oder auch hässlicher Kunst und Kultur? Und daraus folgend: Wie wirken diese Werke auf uns als Individuen und als Gemeinschaft? Denn es dürfte klar sein, dass es dabei nicht ohne Konflikte abgeht. Welcher Künstler wird zum Star, wer macht ihn dazu, warum und in wessen Interesse? Und wer schafft es nicht oder wird für seine Kunst sogar ins Gefängnis geworfen? Wir sind der Meinung, dass kulturelle Diversität und ein Pluralismus künstlerischer Ausdrucksformen ihre Existenzberechtigung haben. Mit dieser Studie wollen wir zeigen, dass auch die ökonomischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden können.
Wir verwenden die Bezeichnungen Urheberrecht und Copyright gleichwertig nebeneinander. Wir wissen natürlich, dass die Begriffe unterschiedlichen Ursprungs sind und dass auch die Idee dahinter unterschiedlich ist. Ein Recht zu kopieren ist etwas grundsätzlich anderes als ein Recht, das ins Leben gerufen wurde, um die Interessen von Künstlern zu verteidigen, also von Urhebern, wie man zusammenfassend sagt. Inzwischen haben sich allerdings die Begriffe, die dahinterstehenden Rechtssysteme und die verschiedenen Praktiken einander angenähert. Die verbleibenden Feinheiten und Unterschiede sind für die Analysen in diesem Buch nicht relevant, weil es letztendlich auf die Abschaffung des Urheberrechts bzw. Copyrights hinausläuft. Wenn in den folgenden Kapiteln von »Werken« die Rede ist, bezieht sich dieser Begriff auf Musikstücke und Filme aller Art ebenso wie auf bildende Kunst, Design, Bücher, Theater oder Tanz.
Die neoliberalen Umgestaltungen der letzten Jahrzehnte, wie sie zum Beispiel Naomi Klein in ihrem Buch Die Schock-Strategie (2007)
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