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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ein. Auch Roditis begann unbewußt den Satz mitzusingen. Sie sagten, dieses Mantra sei die Essenz allen Glücks und aller Weisheit und das wirkungsvollste Mittel zur Befreiung. Om, die mystische Anfangssilbe; die Befreiung, von der sie sprachen, war nicht die, die Roditis suchte, war das Nirwana, das Vergessen. Mani, ‚ 0 du Edelstein’ (=Buddha); wer suchte denn schon eine solche Freiheit, niemand, außer vielleicht die Leute in Indien, wo man die Wiedergeburt als Anhalten des Karma-Rades ansah. Padme, ‚ im Lotus’ (=Welt); Hum, die mystische Endsilbe. Padme. Hum. Om. Wer wollte schon von seiner Existenz befreit werden? Als erstes brauchte der Mensch Nahrung, dann Gesundheit, dann Macht und dann ein langes Leben. Und schließlich die Wiedergeburt, um den ganzen Zyklus noch einmal auskosten zu können. Om mani padme hum. Roditis nahm zwar an dem Gesang teil, verspürte aber nicht im geringsten den Wunsch, daß das Gebet in Erfüllung ginge. Und er nahm an, daß von denen, die ihn hier umringten, höchstens Noyes ernsthaft das Gegenteil wollte. Om.
    Die religiöse Übung war vorüber.
    Jetzt kam die Zeit, über wichtige, geschäftliche Dinge zu reden.
    Mit festerer, nicht mehr vergeistigter Stimme sagte der Guru: „Ich freue mich, daß Sie die Mühe auf sich genommen haben, uns zu besuchen, Mr. Roditis. Es gibt Leute, die weitaus weniger bedeutend sind als Sie und dennoch nie dazu kommen, uns persönlich aufzusuchen; selbst dann nicht, wenn sie tiefgläubig sind.“
    Roditis zuckte die Achseln. „Ich war schon lange auf diesen Ort neugierig. Und da ich ohnehin gerade in San Francisco zu tun hatte …“
    „Ich hoffe, Ihre Reise war erfolgreich.“
    „Sehr. Wir haben die Verträge für die Sanierung des ganzen Telegraph Hill abschließen können. Heute in fünf Jahren steht ein hundertstöckiger Turm auf dem Gipfel dieser Erhebung – der größte Kasten, den man seit ’96 gebaut hat. Er soll der Hauptsitz der Roditis-Versicherungsgesellschaft an der Westküste werden.“
    „Ich würde mich glücklich schätzen, das Gebäude einsegnen zu dürfen“, sagte der Guru.
    „Aber natürlich doch, geht in Ordnung.“
    „In unserem bescheidenen Rahmen führen auch wir hier ein Bauprojekt durch, Mr. Roditis. Hätten Sie Lust, unseren Baugrund in Augenschein zu nehmen?“
    Sie traten durch ein irisierendes Tor aus hochpoliertem Beryllium-Stahl und gelangten in einen großflächigen, spatenförmigen Garten, der wohl etliche hundert Meter durchmessen mochte. Das jenseitige Ende war mit blauen Blumen bepflanzt worden: Rittersporn, Lupinen, Winden und ungezählten anderen von unterschiedlicher Höhe. Überragt wurde das Ganze von einer massiven Glyzine, deren Tentakel sich in alle Richtungen ausbreiteten. Blumenkaskaden baumelten an ihren einzelnen Gliedern. Weiter vorne standen weniger pompöse Blumen. Langsam dämmerte es Roditis, daß der ganze Garten in Form irgendeines riesigen Mandalas angelegt war: Kreise in Kreisen, ein esoterisches Kennzeichen für die höchste Stufe wichtigtuerischer Scheinheiligkeit. Dieser Gedanke kam von Kozak. Roditis selbst hatte das Muster noch nicht ganz durchschaut. Hinter dem Garten lag ein felsiges, wildwucherndes Stück Land, das sich den Hügel hinab neigte.
    „Dort soll unser Speisesaal entstehen“, sagte der Lama. „Und hier die Bibliothek. Ganz hinten, von wo aus man die Brücke überblicken kann, beabsichtigen wir, ein Lehrzentrum für die Unwissenden zu errichten. Und direkt hier vorne, zu unserer Linken, wollen wir die Seelenbank bauen.“
    „Ihre eigene Seelenbank?“
    „Ja, um die Identitäten der Klosterbrüder aufzunehmen. Sie verstehen, wir können nicht zulassen, daß die Bewußtseinsinhalte unserer Leute in die allgemeine Seelenbank gelangen. Wir müssen die Kontrolle über jede Inkarnation behalten. Daher beabsichtigen wir, hier eine komplette Anlage für den Scheffing-Prozeß zu installieren und jedes einzelne Stadium der Wiedergeburt selbst durchzurühren.“
    „Das wird Sie ein Vermögen kosten!“ sagte Roditis.
    „Stimmt genau.“
    „Und wann haben Sie vor, das alles zu bauen?“ wollte Noyes wissen.
    „Im Verlauf der nächsten Jahre. Natürlich hängt alles von der Menge der eingehenden Spenden ab. Die Grundausstattung für eine Pilotanlage besitzen wir bereits. Eine nicht unbeträchtliche Summe ist bereits aus dem Nachlaß Paul Kaufmanns an uns gegangen. Und wenn ich es recht verstehe, will sein junger Neffe Mark es ihm gleichtun.“
    „Mark Kaufmann.

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