Noch einmal leben
seinem Mund. Noyes ließ es ungeduldig über sich ergehen. Er fragte sich, warum Roditis sich überhaupt diesem Sermon der Albernheiten hingab. Natürlich gab sich der Guru alle Mühe, dankbar zu erscheinen, nachdem man ihm eine Million Dollar auf den Tisch gelegt hatte; natürlich sagte er, daß Roditis unter allen weisen Männern gesegnet sei, und viele Wiedergeburten ihm sicher seien. Noyes hatte plötzlich die wenig begeisternde Idee, daß Roditis den Worten des Guru aus reinstem Herzen glaubte; daß er die Lobpreisungen auf seine Verdienste zurückführte und nicht darauf, daß er sie mit Geld gekauft hatte. Irgendwie kam er ihm wie ein Bildhauer vor, der den Kulturkritiker der Times bestach, um ihn einmal groß herauszubringen, und der danach alle seine Freunde zusammenrief, um ihnen stolz die glänzende Kritik vorzulesen. Kaum verging ein Tag, an dem Noyes nicht die tiefverwurzelte Naivität im ansonsten energiegeladenen, gerissenen und unbarmherzigen Geist des John Roditis entdeckte.
Der Guru kam zum Schluß und verschwand vom Bildschirm. Dort erschien jetzt wieder Roditis – und strahlte.
„Na, was hältst du davon?“
„Sehr schön, John, einfach wunderbar.“
„Er war wirklich glücklich über die Spende.“
„Das war er ganz sicher. Es war ja auch sehr nett.“
„Ja“, sagte Roditis. „Er soll im Lauf der Zeit noch mehr bekommen. So viel, daß sie einen ganzen verdammten Flügel in ihrem Bau nach mir benennen: Die John-Roditis-Seelenbank für Dahingegangene Lamas, oder so ähnlich. Getreu unserem Motto: Hoch hinaus, nicht wahr? Om mani padme hum, mein Bester.“
Noyes sagte nichts darauf. Kravchenko schien zu kichern. Noyes spürte das wie einen Juckreiz im Ohrläppchen.
Dann verlor Roditis die Miene der jovialen Selbstzufriedenheit, so als hätte jemand in seinem Innern die Bremse gezogen. Ein Schimmer von Anspannung zeigte sich auf seinem leicht tiefsinnigen Gesichtsausdruck. Er sagte: „Mark Kaufmann gibt am Samstag eine Party auf seinem Landsitz auf Dominica.“
„Dann ist die Trauerzeit wohl vorüber?“
„Ja. Das ist die erste gesellschaftliche Veranstaltung von ihm, seit der alte Paul sich zur letzten Ruhe begeben hat. Es soll eine große, laute und kostspielige Sache werden.“
„Bist du eingeladen?“ fragte Noyes.
Roditis machte ein verächtliches Gesicht. „Ich? Der schäbige kleine nouveau riche mit seinem Größenwahn? Natürlich bin ich nicht eingeladen! Im wesentlichen ist es eine Party für die diversen Kaufmanns und ihre Verwandten aus der jüdischen Hochfinanz.“
„John, du weißt, daß du nicht so von ihnen reden sollst.“
„Wieso? Wirke ich dadurch bigott? Ich bin kein Judenfresser. Was kann ich denn dafür, daß die Kaufmanns mit den anderen großen jüdischen Bankiers verwandt und verschwägert sind?“
„Trotzdem, wenn du so redest, hört es sich immer wie Verachtung an“, wagte Noyes ihm zu widersprechen.
„Nun, ich meine es aber nicht verächtlich. Man macht keine dummen Bemerkungen über eine soziale und kulturelle Elite. Was du aus meinen Worten herauszuhören glaubst, ist nicht Antisemitismus, Charles, es ist lediglich simpler Neid, ohne irgendwelche neurotische, irrationale Programmatik oder Ideologie dahinter. Auf der Party werden eine Menge Lehmans und Loebs herumlaufen, aber kein John Roditis. Auch Frank Santoliquido wird sich unter den Gästen befinden.“
„Er ist aber kein Jude.“
Roditis warf ihm einen irritierten Blick zu. „Natürlich ist er das nicht, du Heini! Aber er ist eine wichtige Persönlichkeit, und einen nicht zu unterschätzenden Rang bei den oberen Zehntausend hat er auch. Mark Kaufmann versucht, seine Unterstützung bei dieser Angelegenheit mit seinem Onkel zu erkaufen. Santoliquido und seine Freundin fliegen mit Marks Privat-Jet dorthin. Da siehst du mal, wie sich die Lage zuspitzt. Und da kannst du Gift drauf nehmen, daß Mark den ganzen Tag lang nicht von Santos Seite weicht, um ihm zu erklären, wie wichtig es ist, daß Onkel Paul nicht in meine Klauen gerät. Und dagegen muß etwas unternommen werden. Aus diesem Grund wirst du auch an der Party teilnehmen.“
„Ich? Aber ich bin doch gar nicht eingeladen.“
„Dann sieh zu, daß du eingeladen wirst.“
„Unmöglich, John. Kaufmann weiß, daß ich für dich arbeite. Und wenn du schon auf der schwarzen Liste stehst, kannst du sicher sein, daß ich …“
„Du bist doch auch mit den Loebs verwandt, nicht wahr?“
„Ja, meine Schwester ist mit einem Loeb
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