Noch einmal leben
der Stirnlocke zupfen, dachte Kaufmann.
Auf Marks Schreibtisch stand ein kleines Porträt von Onkel Paul, von denen er so viele besaß. Er schob es weiter nach vom und ließ Donahy die Patrizierzüge, die schmalen, verschleierten Augen und das beeindruckende Kinn betrachten.
„Kennen Sie diesen Mann, Donahy?“
Er nickte. „Es ist Paul Kaufmann, nicht wahr?“
„Ja, mein verstorbener Onkel. Er wird bald wiederbelebt werden, wie ich mir vorstelle.“
„Darüber weiß ich gar nichts, Sir.“
„Nach meinen Informationen hat Direktor Santoliquido vor, demnächst das Bewußtsein meines Onkels in John Roditis transplantieren zu lassen.“
Donahy machte nicht den Eindruck, als habe er nur ein Wort verstanden. Kaufmann begriff, daß er das Begriffsvermögen des Technikers überfordert hatte. Roditis, Santoliquido und der alte Paul waren eben einfach nicht Teil von Donahys Welt, er blickte zu ihnen auf wie zu Göttern. Kurz, diese Männer waren unerreichbar, der Techniker bildete sich keine Meinung über deren Wünsche, Pläne und Konflikte.
Kaufmann sagte: „Was würden Sie von zwanzigtausend zusätzlichen Dollar pro Jahr halten, Donahy?“
„Sir?“
„Ich erwarte eine Gefälligkeit von Ihnen. Und Sie befinden sich in einer Position, in der Sie mir helfen können. Ich hätte hunderte Techniker zur Auswahl gehabt, die mir diese Gefälligkeit tun könnten. Aber wir beide hatten schon einmal miteinander zu tun, und ich weiß, Sie sind ein fähiger und vertrauenswürdiger Mann.
Außerdem stelle ich mir vor, daß Sie ein paar Dollar zusätzlich gut gebrauchen könnten. Wieviel verdienen Sie eigentlich?“
„Siebentausend im Jahr, Sir. Mit einer jährlichen Steigerung von zweihundertfünfzig Dollar.“
„Das heißt also, wenn Sie in Ihrem Job bleiben und sich keine allzu großen Schnitzer leisten, werden Sie im Alter von fünfzig Jahren so um die Zehntausend verdienen, nicht wahr? Und so geht das immer weiter, bis Sie die Pensionsgrenze erreicht haben und schließlich sterben. Nun, ich biete Ihnen zusätzliche Zwanzigtausend auf Lebenszeit. Damit haben Sie genug und können zudem noch etwas sparen, vielleicht können Sie eines Tages Ihr Bewußtsein im Scheffing-Institut aufzeichnen lassen. Würden Sie gerne wiedergeboren werden, Donahy?“
Der Mann fühlte sich offensichtlich unwohl. Wahre Schweißbäche rannen ihm über das Gesicht. Ganz impulsiv streckte er eine Hand nach dem Tablett mit den Ampullen aus, zog die zitternden Finger dann aber wieder zurück, so als sei ihm gerade eingefallen, daß es unhöflich war, sich unaufgefordert selbst zu bedienen.
Kaufmann lächelte. „Keine falsche Bescheidenheit. Nehmen Sie sich noch eine Ampulle oder auch zwei. Warum denn nicht, wenn Sie was zum Aufmuntern brauchen.“
Donahy nahm einen Drink und preßte den Behälter gegen den Arm. Als er antwortete, hatte er Mühe, die Worte zu artikulieren.
„Könnten – könnten Sie etwas deutlicher werden, Mr. Kaufmann?“
„Aber gern. Sicherlich wissen Sie, daß im Scheffing-Institut alle Bewußtseinsaufzeichnungen verwahrt werden, die über die ganze Welt verstreut in Depots lagern. John Roditis soll zum Beispiel in Kürze das Bewußtsein meines Onkels erhalten, und zwar die Aufzeichnung vom letzten Dezember. Aber daneben existiert auch eine Aufzeichnung aus dem Frühjahr letzten Jahres. Und eine weitere aus dem Jahr davor und so weiter über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum hinweg. Diese überholten Aufzeichnungen bleiben im Archiv, sie werden in der Regel nie mehr ausgegeben. Aber das wissen Sie natürlich, nicht wahr?“
„Ja.“
„Also, weiter im Text: angenommen, Sie stellten den Aufbewahrungsort von Onkel Pauls vorletzter Aufzeichnung fest – und der dürfte nicht allzu schwer zu finden sein –, und nähmen sie aus dem Lager. Dann, weiterhin nur angenommen, würden Sie diese Kassette zu einem Lama-Kloster in San Francisco bringen, wo man im Begriff steht, eine eigene Seelenbank aufzubauen. Man ist dort schon so weit, eigenständig Transplantationen und Aufzeichnungen durchführen zu können. Und stellen Sie sich einmal theoretisch vor, Sie sollten in diesem Kloster die Transplantation dieses ausgeborgten Bewußtseins überwachen. Danach würde man Ihre Erinnerung löschen, damit keine verfänglichen Beweise dieser Tat mehr in Ihrem Kopf zu finden sind. Sobald Sie das hinter sich haben, hätten Sie keine Ahnung mehr von dem, was vorgefallen ist. Aber Sie würden plötzlich entdecken, daß Sie
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