Verhexen
KAPITEL 1
D ies war der letzte Ort auf der Welt, an dem Payne sein wollte.
Das schwere Eisentor quietschte, als es sich hinter ihm schloss. Glitschige, feuchtkalte Steinstufen führten in die Finsternis herunter. Payne erlaubte seinen Augen, sich zu verändern, um seinen Vampircharakter zum Vorschein zu bringen, seine Iris brannten rot und seine Pupillen wurden elliptisch und der Tunnel wurde hell genug, damit er das sich wölbende Dach, das in den Stein gehauen war, erkennen konnte. Geräusche kamen von vorne. Er folgte den Stufen in einer ausladenden Kurve, seine Schritte hallten um ihn herum wider. Sein Atem wurde in der feuchten Luft zu weißem Nebel, bevor er sich auflöste. Ein goldener Schein wurde weiter unten im Tunnel sichtbar und ein Schwall trockener Luft wusch über ihn, eine Vielzahl von Gerüchen mit sich tragend. Kräuter. Gewürze. Tote Dinge. Blut. Anderer ekelerregender, übel riechender Gestank vermischte sich damit, als er weiter hinabstieg und er wünschte sich, dass Vampire nicht das Verlangen verspürten, zu atmen.
Die Stufen hörten auf, und er folgte dem unebenen Erdboden. Der Tunnel wurde weiter, bis er sich auf einem hohen Plateau am Anfang einer Höhle öffnete. Seine Augen wechselten wieder zu ihrem normalen Grau zurück und die Welt trübte sich zu einem besser zu ertragenden Helligkeitsgrad. Riesige, rostfarbene Stalaktiten hingen von der sich über ihm wölbenden Decke, als ob der Höhle Fangzähne gewachsen waren, Reihen davon, alle scharf und böse im goldenen Schein, der von unten aufstieg. Ihre bedrohlichen Schatten erstreckten sich lang über das Dach, trugen zu dem Gefühl der Gefahr bei, das er mochte. Er könnte an einem Ort wie diesem leben. Einem Vampir gefiel das Geheimnisvolle. Er war perfekt für seine Gattung.
Oder er wäre es, wenn es nicht die tausenderlei Fabelwesen gäbe, die sich in der kleinen, unterirdischen Stadt, die sich unter ihm erstreckte, tummelten.
Steingebäude bedeckten den riesigen Boden der Höhle, ein Sammelsurium von viereckigen Flachdachbauten unterschiedlicher Höhe. Einige waren doppelstöckig, aber die meisten von ihnen waren einstöckig, mit großen Fenstern und ausgefransten Vordächern, die in die engen Straßen hineinreichten, jedes in einem anderen Edelsteinfarbton. Einige von denen, die direkt unter ihm waren, trugen Wappen oder Fabelwesenworte, die er nicht verstand. Gässchen schlängelten sich zwischen den Läden und Häusern, in aufgestelzten Linien, die Payne an Adern erinnerten. Sein Magen knurrte als Erinnerung daran, dass er seit Tagen nicht gegessen hatte, nicht seit er vom Vampirerotique zu dieser lächerlichen Mission aufgebrochen war.
Gerüche stiegen aus Kupferbrennereien, Strohkörben, Fläschchen und Terrakotta- oder Steinkrügen auf, die draußen vor den Geschäften zu seiner Linken ausgestellt waren, und ein hölzerner Bogen am Anfang einer der Straßen verkündete, dass es der Hexendistrikt war. Fabelwesen und andere Kreaturen bevölkerten die Straßen, gingen von Geschäft zu Geschäft. Es mussten annähernd fünftausend Fabelwesen und andere Kreaturen in diesem Gebiet sein.
Payne beobachtete sie, ein zunehmendes Gefühl der Furcht wirbelte in seinem Magen herum.
Hexen mochten keine Vampire. Seine Spezies hatte sie vor vielen Jahrhunderten beinahe in die Vernichtung getrieben und sie hatten ihnen dafür nicht vergeben.
Dennoch, er musste da hinuntergehen. Er hatte ein Versprechen gegeben und er hatte vor, es zu halten. Er lächelte vor sich hin, als er an den Sukkubus dachte, der seine Hilfe brauchte. Sie hatte entschieden, sich Chica zu nennen. Andreu, ihr Geliebter und einer der Vampire, der mit Payne am erotischen Theater in London arbeitete, hatte erklärt, dass es ein Kosename war, mit dem er sie ein paar Mal angeredet hatte. Payne konnte es ihr nicht verdenken, dass sie ihren richtigen Namen geheim hielt. Er kannte die Gefahr, jemandem seinen tatsächlichen Namen zu geben, aus erster Hand.
Chica musste einen Weg finden, um den Zauber zu brechen, der sie an das Theater, Vampirerotique, fesselte und sie davon abhielt, jemals dessen Mauern zu verlassen. Sie hatten während der letzten paar Wochen alles versucht und nichts davon hatte funktioniert. Antoine, der Vampir, der das Theater leitete, war mit seinem Latein am Ende und der finstere Aristokrat brauchte keine zusätzliche Last auf seinen Schultern. Er war beschäftigt genug. Callum hatte eine ‚sehr‘ hochschwangere Kristina ins Theater gebracht, hatte
Weitere Kostenlose Bücher