Noch immer schwelt die Glut
»Bestätige mir, daß er tot ist.«
Durch diese Worte verstand ich zum erstenmal, weshalb er mich seit dem Vorabend bei sich behalten hatte.
In Wahrheit hätte ein Blick genügt, doch da ich begriff, welche Art von Gewißheit der König von mir erwartete, kniete ich neben dem Körper nieder, der mir im Liegen noch größer erschien als im Stehen, eine Bemerkung, die später dem König zugeschrieben wurde, die er aber nicht getan hat, ebensowenig, wie er den Toten mit dem Fuß anstieß oder ihn noch mit seinem Degen durchbohrte.
Ich untersuchte die Wunden des Herzogs und fand eine am Hals, eine kurz unterhalb der linken Brustwarze, eine oberhalb der rechten Braue und vier im Bauch. Ich vermutete, daß er noch weitere im Rücken und im Kreuz hatte, sah aber die Notwendigkeit nicht, ihn umzudrehen, denn der Körper war so schwer und blutüberströmt und der Tod so offensichtlich. Zur Beruhigung des Königs, der, wie ich sah, noch immer Mühe hatte, seinen Augen zu trauen, zog ich indes einen kleinen Spiegel hervor und hielt dem Herzog das Glas an den Mund, ohne daß es beschlug. Ich hielt es ziemlich lange, konnte ich selbst es doch noch schwer fassen, daß dieser große Eiferer der Intoleranz, des Bürgerkriegs und des Hugenottenmordes seine Seele aufgegeben hatte, wer immer sie von seinen Lippen empfangen mochte.
»Beaulieu«, sagte der König zu einem seiner Staatssekretäre, indem er endlich in das Zimmer trat, »durchsucht ihn und seht, was er bei sich hat.«
Was Beaulieu ohne große Begeisterung in Angriff nahm, indem er sich hinkniete, bemüht, sich nicht mit all dem Blut zu beschmutzen.
Gefunden wurden an Guises Arm ein kleiner Schlüssel an einem goldenen Kettchen, in seinen Hosentaschen eine kleine Börse mit zwölf Ecus und ein Blatt Papier, worauf von der |533| Hand des Herzogs geschrieben stand: ›Um den Krieg in Frankreich aufrechtzuerhalten, sind jeden Monat siebenhunderttausend Livres vonnöten.‹ Eine Notiz, die vielleicht für Mendoza bestimmt war, und ein zusätzlicher Beweis, hätte es dessen noch bedurft, für Guises Verrat.
Der König nahm das Billett an sich, das Beaulieu ihm reichte, und hieß ihn dem Toten einen Ring abziehen, dessen Fassung ein diamantenes Herz umschloß. Diesen Ring behielt der König in der Hand, während er seinen Blick ruhig und sicher über die Anwesenden schweifen ließ.
»Der König von Paris ist tot«, sagte er, ohne den Ton zu heben. »Ich bin wieder König von Frankreich, und nicht mehr der Gefangene und Sklave, der ich seit dem Tag der Barrikaden war.«
Worauf er mir winkte, ihm ins Neue Kabinett zu folgen.
»Mein Sohn«, sagte er, »beliebe, diesen Ring dem König von Navarra zu überbringen. Er wird ihn erkennen. Seine zuchtlose Gemahlin schenkte ihn Guise, als sie damals mit ihm schlief. Und wenn Navarra ihn sieht, weiß er, daß uns beiden gar nichts anderes übrigbleibt, als uns gegen die Liga zu verbünden.«
[ Menü ]
Informationen zum Buch
Pierre de Siorac, frischgebackener Mediziner und Hugenott, hat durch Freundeshilfe das Massaker der Bartholomäusnacht überlebt und kehrt zwei Jahre später nach Paris zurück. König Heinrich III. hat ihn zum Leibarzt ernannt, aber bald wird er vor allem dessen Geheimagent in heiklen politischen Missionen. Denn Frankreich ist noch immer ein tief zerrissenes Land, die Katholische Liga in Gestalt des mächtigen Herzogs von Guise macht Front gegen den König, der im Staatsinteresse zwischen Katholiken und Protestanten zu vermitteln sucht. Spanien steht hinter den einen, England hinter den anderen. Das mörderische Duell zwischen Heinrich und Guise bestimmt über ein Jahrzehnt die französische Politik.Verkleidet als Tuchhändler, Putzmachermeister, königlicher Leibgardist, reist Pierre durchs Land, besteht Abenteuer, Duelle und Attentate, trifft Spione und Gegenspione. Er reist zu Heinrich von Navarra in den hugenottischen Süden. Er reist zu Königin Elisabeth nach London. Sein Husarenstück aber: Während eines nicht ganz freiwilligen Beischlafs mit der erzkatholischen Herzogin von Montpensier stiehlt er dieser einen Brief Guises an den König von Spanien und hat damit den entscheidenden Beweis für Guises Landesverrat in Händen.Robert Merles Romanfolge "Fortune de France" ist das farbenprächtige Gemälde einer der dramatischsten Zeiten in der französischen Geschichte: des Bürgerkriegs zwischen Katholiken und Hugenotten. In seinem Zentrum steht der Chevalier Pierre de Siorac, nunmehr Arzt und
Weitere Kostenlose Bücher