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Noch lange danach

Noch lange danach

Titel: Noch lange danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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ständige Umzieherei. Denn danach haben sich ebenfalls die Gegenden um die Zwischenlager des Atommülls geleert. Auch dort fühlten und fühlen sich viele Bewohner nicht mehr sicher, seitdem bekannt geworden ist, wie es in den unterirdischen Atommülllagern aussieht.
    Es geht auch das Gerücht um, dass an manchen Stellen rund um die Lager demnächst möglicherweise radioaktiv verseuchtes Grundwasser austreten könne. Deshalb herrscht Nervosität. Die Familien, die sich immer zuerst entschließen wegzuziehen, sind die mit kleinen Kindern.
    Natürlich haben die zuständigen staatlichen Ämter immer wieder beteuert, es gehe keine Gefahr von den unterirdischen Zwischenlagern aus. Aber die Bevölkerung glaubt nichts mehr, was aus dieser Richtung kommt.
    Das weiß ich auch nicht genau. Jedenfalls kann man sich das vorstellen: In ferner Zukunft, wenn man gar nicht mehr weiß, wo einst Zwischenlager gewesen sind, wird man Touristen abraten, bestimmte Gegenden zu durchwandern, wird ihnen zuraunen: „Geht nicht durch dieses Gebiet! Dort soll man krank werden …“
    Nein, ich hab mich nicht vertan. Ich sprach von „Zwischenlagern.“ Das heißt, es handelt sich um eine vorläufige Lagerung des Atommülls. Einen sicheren Platz für die Endlagerung hat man seit dem Beginn der Atomindustrie noch nie gehabt. Und auch nach so vielen Jahren hat man noch keinen gefunden. Denn kaum war bisher ein Gebiet, das nach Meinung der zuständigen Fachleute dafür vielleicht infrage gekommen wäre, von den staatlichen Behörden in näheren Augenschein genommen worden, hatte die dortige Bevölkerung begonnen, sich dagegen zu wehren. Nach ein paar Jahren haben sich auch manche Zwischenlager als unzuverlässig erwiesen: Die metallenen Fässer rosteten durch und gaben den strahlenden Atommüll frei. Es gab Zwischenlager, die wieder geräumt werden mussten! Eine teure Angelegenheit! Inzwischen hat unser Staat auch gar kein Geld mehr, um Endlager einzurichten. Es bleibt bei den Zwischenlagern.
    Fast nur Erwachsene, überwiegend alte Leute, halten sich noch in Risikogebieten auf. Solche, denen es nicht drauf ankommt, wann und woran sie sterben. Nur daheim wollen sie sterben!
    Ja, auch hier haben sich freiwillig Geflüchtete niedergelassen. Innerhalb weniger Jahre sind ganz neue Viertel in kurzer Zeit sozusagen aus dem Boden gestampft worden, um alle, die ohne Sorgen um ihre Gesundheit in der südwestlichsten Ecke Deutschlands leben wollten, unterzubringen. Sogar ganz neue Orte sind hier – und anderswo – nach der Katastrophe entstanden!

27
    Omi? Ich spreche dauernd über sie?
    Das kann schon sein. Ich merke das nicht mehr. Aber ich bin mir sicher, dass sie bisher in meinem Leben die wichtigste Person war. Und was sie alles erlebt hat!
    Von ihr erzählen? Einfach so?
    Ich weiß nicht, ob ich das kann. Mir fällt es leichter, Fragen zu beantworten. Aber na ja, ich werde es versuchen.
    Schon als Kind trug Omi nur teure Markenkleidung. Sie erhielt so gut wie alles, was sie sich wünschte. Kaum hatte sie ihren Führerschein, bekam sie ein Auto. Und sobald sie mit Opa verheiratet war, hat er sie mit teurem Schmuck verwöhnt. Ihre Villa mit Garten, Terrasse und Schwimmbecken, ihre jährliche Urlaubsreise nach Kuba, Kapstadt oder Hongkong, ihr gutes und reichliches Essen – für einen Arzt- oder Zahnarzthaushalt damals nichts Unübliches.
    Aber es gab noch viel Reichere. Es muss toll gewesen sein, was denen, die reich genug waren, davor alles geboten wurde! Die Märkte, die Läden quollen über von den herrlichsten in- und ausländischen Waren, die im Verhältnis zu dem, was man damals verdiente, nicht teuer waren. Omi hat mir Früchte aufgezählt und geschildert, die ich auf keinem Markt, ja noch nicht einmal auf einem Bild gesehen habe! Die gibt es heutzutage nicht mehr. Jedenfalls nicht bei uns. Denn nur noch wenige Leute könnten die bezahlen.
    Omi hat mir oft von ihren Erlebnissen erzählt. Sie hat sie auch niedergeschrieben. Es sind nur ein paar Seiten. Auf denen spielt aber die Atomkraftnutzung eine genauso große Rolle wie sie selber. Ohne die war ihr Leben nicht denkbar. Ich werde versuchen zusammenzufassen, was auf diesen zehn Seiten steht. Ich habe sie nach Omis Tod oft gelesen.
    Als sie noch gar nicht geboren war, in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, gab es schon die Anti-AtomBewegung. 1979, als die Reaktorkatastrophe in Three Mile Island bei Harrisburg, Pennsylvania, stattfand, war Omi ein Jahr alt.
    Ein paar Jahre älter,

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