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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Junge.
    Apolonia durchsuchte sämtliche ihrer Erinnerungen nach dem Namen Mone Flamm, doch sie hatte ihn noch nie gehört.
    Elias Spiegelgold hatte inzwischen das Paket geöffnet und zog eine Mappe aus schwarzem Leder hervor, die er eilig aufschlug. Soweit Apolonia es erkennen konnte, befanden sich mehrere Dokumente darin. Elias Spiegelgold überflog sie und machte die Lippen schmal. Als er fertig war, klappte er die Mappe wieder zu. »Und du bist dir ganz sicher, dass das stimmt?«
    Der Junge legte eine Hand aufs Herz und neigte abermals den Kopf. »Ich bin bloß der bescheidene Überbringer des Berichts. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass Meister Flamm sich nie irrt. Übrigens haben Sie wirklich ein sehr schönes Haus.«
    »Ja, danke.« Elias Spiegelgold schwieg mehrere Augenblicke. Dann straffte er den Rücken und zog sein Portemonnaie aus der Westentasche. Er übergab dem Jungen drei Scheine und nach kurzem Nachdenken einen vierten.
    »Ich danke Ihnen, Herr Spiegelgold.« Als Elias Spiegelgold ihn scharf ansah, lächelte der Botenjunge. »Verzeihen Sie, mein Herr. Ich habe Ihren Namen bereits vergessen. Das Geld in meiner Hand habe ich auf der Straße gefunden.«
    »Schön. Versuche, kein Aufsehen zu erregen, wenn du gehst. In drei Minuten komme ich noch mal zurück, dann erwarte ich, dass du fort bist.«
    Wieder neigte der Junge den Kopf. Elias Spiegelgold drückte die Mappe an sich und verließ das Zimmer durch den anliegenden Salon. Der Junge blieb stehen.

    Irgendwo schloss sich eine Tür; dann war Elias Spiegelgold verschwunden. Der Botenjunge steckte sich das Geld ins Jackett und schritt um den Schreibtisch herum. Sein Blick glitt über die ordentlichen Papierstapel, den silbernen Füllfederhalter, den Siegelstempel. Er strich zum Kamin, fuhr mit dem Finger über den Kaminsims und betrachtete verwundert seine Fingerspitze, an der kein Staubkorn hing. Lange sah er die goldenen Kerzenständer an.
    Apolonia spürte Ärger in sich aufsteigen. Dieser Landstreicher konnte doch nicht einfach so im Büro ihres Onkels herumspazieren!
    Plötzlich wandte er sich um und blickte zur Tür, als könne er direkt hindurchsehen. Apolonia trat mehrere Schritte zurück - und stieß gegen eine kleine Kommode. Die Blumenvase, die darauf stand, gab ein dumpfes Poltern von sich, als sie gegen die Wand fiel; dann kippte sie um, kaltes Wasser ergoss sich auf den Teppich und die Vase plumpste zwischen Apolonias Händen hindurch zu Boden.
    »Fräulein Spiegelgold!« Ein Dienstmädchen blieb ein Stück entfernt im Flur stehen und starrte verwundert auf die Vase, die ihr vor die Füße rollte.
    Die Zimmertür schwang langsam auf und aus den Augenwinkeln sah Apolonia den Jungen im Türrahmen stehen.
    »Sieh, was du angerichtet hast!«, rief Apolonia und wies barsch auf das verdutzte Dienstmädchen. »Bring das sofort wieder in Ordnung, du tollpatschiges Ding, hast du gehört?«
    Ohne die Reaktion des Dienstmädchens abzuwarten, fuhr Apolonia zu dem Jungen herum.
    »Nun?«, fragte sie unwirsch. »Was gibt es hier zu sehen?«
    »Das habe ich mich auch gerade gefragt«, erwiderte der Junge und beobachtete, wie das Dienstmädchen die Blumen aufklaubte.
    Apolonia strich sich in einer, wie sie hoffte, gebieterischen
Geste das Kleid glatt. »Also. Der Dienstbotenausgang befindet sich in dieser Richtung.« Sie wies dem Jungen mit ausgestrecktem Zeigefinger den Weg.
    Er hob spöttisch die Augenbrauen. »Danke.« Und er schenkte dem Dienstmädchen - zu Apolonias Empörung - ein Augenzwinkern. »Dann weiß ich ja jetzt, wo ich deinem hübschen Dienstmädchen noch mal begegnen kann.«
    Apolonia öffnete entrüstet den Mund; doch da war der Junge schon ans Erkerfenster getreten. Er warf ihr einen letzten Blick zu und grinste, dass sie seine schiefen Eckzähne glänzen sah. Dann flog das Fenster auf und er sprang hinaus. Das Dienstmädchen stieß einen erschrockenen Laut aus. Ein kalter Luftzug brauste ihnen entgegen und blähte die Gardinen auf.
    Apolonia stockte. Wie war das Fenster plötzlich aufgegangen? Nach kurzem Zögern lief sie hin und beugte sich hinaus. Zwei Meter tiefer sprang der Junge von der stuckverzierten Außenwand. Apolonia sah ihn durch den Schein einer Straßenlampe huschen. Dann war er in der Nacht verschwunden.
    »Hast du das gesehen?«, fragte sie das Dienstmädchen stotternd.
    Die junge Frau umklammerte die Blumenvase. »Ich, ich weiß nicht, Fräulein Spiegelgold. Wer war das?«
    Apolonia musterte das Dienstmädchen

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