Noelles Demut
und hielt mitten in der Bewegung inne. Die Tasche traf ihn am Kopf. Lydia quietschte entsetzt.
„Mr. Baker? Was machen Sie denn hier?“
„Lydia!“
„Ihr kennt euch?“, fragte Noelle. Sie hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Etliche Passanten waren inzwischen stehen geblieben.
Dem Mann schien der Auftritt in der Öffentlichkeit unangenehm zu werden. „Jetzt lasst uns reingehen. Das werden wir drinnen klären.“
Er schubste Noelle und Lydia vor sich her. Mr. Wheeler und der Künstler sahen ihn überrascht an, als er mit ihnen die Galerie betrat. „Können wir das Büro benutzen?“
„Woher kennst du ihn?“, fragte Noelle ihre Freundin.
„Ich? Woher kennst du ihn?“
„Was ist eigentlich hier los?“, wollte Mr. Wheeler wissen.
„Aus dem Krankenhaus.“
„Aus welchem Krankenhaus?“
„Antwortet mir mal jemand?“
„Schluss!“, dröhnte die Stimme des Mannes. „Das ist ja der reinste Zirkus.“
Es wurde mucksmäuschenstill. Alle starrten ihn entsetzt an. Er räusperte sich und sah in die Runde. Noelles Herz raste wie nach einem Marathon. Die Lautstärke seiner Stimme hatte eine Angst in ihr wachgerufen, vor der sie zu entfliehen suchte. Am liebsten hätte sie ihn selbst angebrüllt, dass er normal mit ihnen sprechen sollte, doch sie brachte keinen Ton über die Lippen. Seine sanften Augen sahen sie eindringlich an. Er schien zu spüren, was in ihr vorging, denn als er weitersprach, war seine Stimme wieder weich und leise.
„Ann wird in wenigen Minuten hier sein. Erzählen Sie ihr, was passiert ist. Sie wird wissen, wie Sie weiter vorgehen müssen. Ich rufe Dr. Forrester an und lasse ihn den Untersuchungsbericht zusammenstellen. Ann wird ihn über die Staatsanwaltschaft anfordern.“
„Staatsanwaltschaft?“, brach es aus Lydia heraus.
„Ruhe! Jesse, du rufst Lucian an. Sag ihm, dass wir Noelle gefunden haben.“
„Lucian? Was hat Mr. Green …“
„Ich sagte, du sollst den Mund halten, Lydia. Das Beste ist, wenn Paul und du die Galerie verlassen. Und schließt ab“, wandte er sich an Jesse.
Lydia sah beleidigt zu ihm auf. Paul stand etwas abseits und schien genauso wenig wie alle anderen zu begreifen, was hier gerade passierte. Unschlüssig huschte sein Blick zwischen dem Mann und Lydia hin und her.
„Soll ich wirklich gehen?“, fragte Lydia und sah sie flehend an.
Noelle wusste nicht, was sie antworten sollte. Wenn Lydia ging, war sie allein unter Fremden. Blieb sie, würde Lydia die ganze schmutzige Geschichte erfahren. Im Grunde wollte Noelle selbst nicht hier sein. Ihr Blick blieb an ihrem Fremden hängen. Baker hatte Lydia ihn genannt. „Woher kennst du ihn?“, fragte Noelle Lydia und sah ihn dabei an.
„Mr. Baker ist ein Freund meines Chefs.“
„Vertraust du ihm?“
„Du stellst Fragen! Ich kenne ihn nur vom Sehen. Aber Mr. Green vertraue ich. Kannst du mir mal sagen, was hier vor sich geht?“
„Das würde ich auch gern wissen“, sagten Mr. Wheeler und dieser Paul wie aus einem Mund.
Noelle sah noch immer Mr. Baker an. „Warum tun Sie das alles?“
„Ich habe gesehen, wie man Sie zugerichtet hat. Drücken wir es so aus: Ich verabscheue es, wenn Frauen misshandelt werden. Ich will Ihnen wirklich helfen.“
Noelle versuchte zu ergründen, was in ihm vorging. Seine Worte klangen aufrichtig, und er lächelte sie sogar an. Kannte er vielleicht jemanden, der ihm nahestand und dem so etwas auch passiert war? Warum sonst sollte er ein so großes Interesse an ihrem Schicksal haben? Eigentlich konnte sie sich auf ihre Menschenkenntnis nicht verlassen, doch sie sah nichts Falsches in seinen Augen.
„Gut!“, sagte Noelle nach einer Ewigkeit. „Geh! Ich werde das regeln und melde mich dann bei dir.“
„Bist du dir sicher?“
Nein, das war sie nicht. Doch Noelle nickte und ließ Mr. Baker nicht aus den Augen. Lydia erhob sich und wandte sich an Paul. „Dann lass uns verschwinden. Ich könnte jetzt einen Kaffee vertragen.“
„Gute Idee!“ Galant bot er Lydia seinen Arm an und verließ mit ihr die Galerie.
„Ein Gutes hat die ganze Sache“, dachte Noelle: Lydia hatte nun wenigstens ihren Künstler kennengelernt.
„Ich weiß nicht, warum Sie das alles tun, aber ich möchte nicht, dass Sie dabei sind, wenn ich mit der Staatsanwältin rede. Bitte!“
„Ich habe mich gefreut, als ich Ihr Lachen gehört habe. Schön, dass Sie Ihren Lebenswillen nicht verloren haben.“
Dieser Satz verwirrte Noelle für einen Augenblick. Das hatte doch rein
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