Notluegen
über den Zuschauerraum der Wiener Oper herabsenken. Die Erwartung stieg im Inneren des Mannes, und dann ging der Vorhang auf, nur die Bühne lag im Licht, und statt die Hand der Geliebten in der Dunkelheit zu suchen, knetete er ihr Höschen in der Hosentasche, wieder und wieder, seine ganze Erwartung galt weniger der Kunst als dem Abenteuer, das ihn erwartete, schon ungeduldig wünschte er sich, dass der erste Akt so bald wie möglich vorüber wäre, so dass es Zeit für den zweiten würde, und das war, der Mann sah es ein, nichts anderes als Hochmut.
In der Pause fragte der Anwalt, wie sie die Vorstellung fänden. Aber bevor jemand antworten konnte, sagte er, ganz vorn im ersten Parkett sitze sein Kollege Dr. Tuchowski mit einer sehr jungen Dame, die nicht seine Frau sei, und bestimmt auch nicht seine Tochter. Im Übrigen scheine die Modefarbe des Herbstes Moosgrün zu sein, sagte der Anwalt, der, schon bevor die Lichter im Zuschauerraum gelöscht wurden, verschiedene Beobachtungen angestellt haben musste, die er jetzt zum Besten gab, meine Damen, Moosgrün und tief ausgeschnitten, sagte der Anwalt ernst, und dann, dass der Tenor im Jägermantel und zu kurzen Lederhosen aussähe, als habe er seine Kleidung von einem älteren Bruder geerbt.
Aber die Stimme ist gut, fügte der Anwalt hinzu, das muss man doch sagen, Sie meinen Max, fragte die Gattin des Mannes, ja, antwortete er, unser Max singt wirklich kolossal prachtvoll, obwohl die Streicher heute Abend recht matt wirken, und bevor es Zeit für den zweiten Akt war, den in der Wolfsschlucht, auf den der Mann gewartet hatte, nahm ihn der Anwalt wieder beiseite und flüsterte ihm ins Ohr, in seiner Loge könne man ungestört schlafen, ohne dass jemand es merken würde.
Ich praktiziere das oft, sagte der Anwalt und zwinkerte dem Mann vertraulich zu, in der letzten Saison habe er sich einmal durch eine ganze Oper von Bellini geschlafen, und nicht einmal seine eigene Frau habe es gemerkt, ein solches Nickerchen vor dem Essen stärkt den Appetit, flüsterte der Anwalt, und mit etwas, das männliches Einverständnis darstellen sollte, zwinkerte er wieder mit seinem linken Auge, einem trüben und blutunterlaufenen Auge, und trat einen Schritt zurück, um zu sehen, welchen Eindruck all das, was er gesagt hatte, auf den Mann machte, der davon überzeugt war, dass der Anwalt am liebsten schon auf der anderen Seite der Straße gewesen wäre, im Speisesaal des Hotel Sacher, wo er für die ganze Gesellschaft ein Souper bestellt hatte, eher unter Gläsern und Tellern heimisch als unter Noten, wie der Mann argwöhnte, lieber in der Nähe eines Oberkellners im Frack mit der Speisekarte in der Hand als eines Dirigenten in dem gleichen Kleidungsstück, der aber mit dem Rücken zu ihm einen Taktstock in der seinen hält.
Der Mann und die Frau waren jetzt allein in der Loge der Familie Berger, und die Gattin des Anwalts lehnte sich zur Balustrade vor und sah hinunter in den Zuschauerraum. Ihre Miene war hochmütig, fast verächtlich, und dass er sie bald in seinen Armen halten würde, machte ihn nicht weniger hochmütig.
Wieder ging der Vorhang auf, und die Dunkelheit im Zuschauerraum erfüllte den Mann mit heftigem Verlangen, aber noch war es nicht soweit, erst gegen Ende dieses zweiten Akts würde die Dunkelheit sich auch auf die Bühne herabsenken, eine Dunkelheit, so tief, dass sie sich kaum von der Dunkelheit im Zuschauerraum unterscheiden würde, und der Mann ergriff ihre Hand und plazierte sie zwischen seinen Beinen, die Frau ließ es geschehen und ihre Hand dort liegen, aus dem Orchestergraben brummten Bassgeigen in ihren allertiefsten Tönen, unterhalb der Bühne ertönten Wirbel auf Pauken und Trommelfellen, Waldhörner und klagende kohlschwarze Blasinstrumente, und bald senkte sich die Nacht herab.
Nur das silbrig matte Licht eines Vollmonds blieb über der Bühne zurück, während die Hand der Frau zwischen den Beinen des Mannes lag, und auf einmal befand man sich in der Wolfsschlucht, und in dieser Dunkelheit half er ihr, den Reißverschluss und die Hosen zu öffnen, Uhui! Uhui!. Übermächtige Naturkräfte trieben in dieser engen Schlucht ihr Spiel, Uhui! Uhui!. In der Ferne schlug eine Turmuhr Mitternacht , So komm doch, die Zeit eilt!. Das war Max oder Kaspar, ja, komm, flüsterte der Mann der Frau ins Ohr, und in der Dunkelheit war sie bald auf seinem Schoß, das Kleid hoch über der Taille, mit beiden Händen stützte sie sich an der Balustrade ab, und unten im
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