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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Maus, den Kopf aufgestützt, antwortete nicht. »Du sitzt auf Zeitungen, Maus«, wiederholte Becker. Trompetentöne drangen vom Garten herein, tiefe, langsame, einer probierte sein Instrument. Leise sprach Maus: »Nun geht es auch mit Richard zu Ende.« »Ich höre, mein Sohn«, antwortete Becker kühl, »der Krieg ist eine gefährliche Sache.« Maus: »Wir hatten gestern mittag noch Karten gespielt. Ich habe noch seinetwegen in der Stadt Karten gekauft.« »So ist es«, bemerkte Becker.
    Als aber Maus wieder zum Fenster sah, waren die Augen Beckers zornig auf ihn gerichtet. Beckers feines, pergamentweißes, ganz schmales, fleischloses Gesicht verzerrte sich, aber er sprach nicht.
    Becker sagte sehr ruhig: »Du warst draußen und hast dich erkundigt? Was ist mit dieser Revolte?« »Ich will mir den Mantel anziehen. Ich geh’ nach der Inneren Station.« »Tu das.«
    An der Tür sah Maus seinen Freund mit gerunzelter Stirn unbeweglich liegen. Ihm fiel ein, Becker war so lange und entsetzlich krank gewesen, er hätte ihm nicht vom Tod sprechen sollen. Wie zur Entschuldigung rief Maus mit unsicherer Stimme ins Zimmer zurück: »Ich bin bald wieder da. Vielleicht treffe ich den Chef.«

    Im Garten des Lazaretts blies einer Trompete unter den schwarzen Bäumen. Er fing ein Lied an, dann freute ihn ein Ton, er hielt ihn fest, blies ihn lang aus und ließ ihn erst nach einer Weile frei, dann schwenkte er in eine Melodie ein. Das Trompeten brach ab. Der Mann, der übte, ein großer Magerer ohne Mütze, in einem grauen Militärmantel über der Lazaretttracht, nahm die Trompete vom Mund und bückte sich an dem Baumstamm, ganz langsam. An dem Gartengitter, das unten Lücken hatte, zeigte sich etwas Braunes, ein kleines Tier, es schlüpfte in den Garten, ein wildes Kaninchen, es suchte Futter bei den Abfalleimern neben dem Hauptgebäude. Wo kriegt man einen Stein her, hier liegen Äste, vielleicht läßt sich mit einem dicken was machen. Er hockte, tastete über dem Boden nach einem Knüttel.
    In diesem Augenblick klatschte und prasselte es am Gitter, aus einem Fenster vorn lachte man, das Kaninchen heidi durch das Loch hinaus, sie hatten es begossen, der Trompeter erhob sich, setzte seine Trompete an, fing wieder an zu blasen: »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn.«
    Der Oberstabsarzt schritt langbeinig durch das Hauptportal, in feldgrauer Uniform, mit Mütze, ohne Säbel, ein langer freundlicher Herr, mager. Er hinkte leicht, man hielt es für eine Kriegsverletzung, aber es waren enge Stiefel und Hühneraugen, die ihm das Leben verbitterten. Er war überhaupt ein Hypochonder, sie hatten ihn wegen seines Herzens, Arteriosklerose, zurückgeschickt. Das wilde Kaninchen hatte er gesehen, wie es grade im Wald verschwand. Ihn beschäftigte jetzt, wo und wie es aus dem Lazarett kam. Als er suchend am Gitter entlangging, schlossen sich oben krachend die Fenster. Er blickte auf, erkannte den Wärter, machte ihm ein Zeichen, der Wärter riß das Fenster wieder auf. »Wo ist es durchgekommen, Kralik?« Der Wärter: »Mehr seitwärts, Herr Oberstabsarzt. Da kommen sie immer.« Mächtiges Loch. Der Arzt stand schweigend davor, übrigens tat ihm die Luft wohl, alle Räume waren überheizt. Er grüßte und ging mit gezwungener Straffheit am Gitter zurück ins Verwaltungsgebäude.
    Gleich rechts an der Treppe lag sein Zimmer mit dem Blick auf die Landstraße. Er deponierte Mütze und Handschuhe auf dem Schreibtisch, befreite sich mühsam von seinem Mantel und wischte sich ächzend die Stirn. Er klingelte. Fast im Augenblick war Kralik da, diensteifrig, ein Bauernbursche in Sanitätertracht, untersetzt, mit einem braunen, gesträubten Schnurrbart. Der alte Sanitätsoffizier saß schon und streckte ihm die Beine entgegen. Wortlos streifte ihm Kralik die Hosen hoch, zog die Stiefel aus, die Strümpfe, und frottierte die Füße, einen nach dem andern, vorsichtig über seinem Knie, denn er hatte sich hingehockt. »Sie sind schon weicher, Herr Oberstabsarzt.« »Finden Sie?« »Immer mit Kleie baden.« »Es sind die Stiefel, Kralik.« »Ja, die Stiefel.«
    Der Wärter holte aus dem Aktenschrank ein Paar breite gelbe Militärstiefel und half dem Herrn hinein. »Sie können mir glauben, Kralik, der Schuster, der diese Dinger gebaut hat, war ein Meister. Ein Polack übrigens, an der Ostfront.« Dabei fiel ihm ein: Wo ich mir das mit dem Herzen geholt habe, und zugleich die beruhigende Versicherung: Vielleicht habe ich gar nichts am Herzen, man

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