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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Fluten. Der Präparationskanal schien sich zu dehnen und wieder zusammenzuziehen.
    Das Mikroskop hat sich verstellt, dachte sie, und Julian musste denselben Gedanken gehabt haben, denn er versuchte, die Einstellung zu korrigieren, aber dann sahen sie gar nichts mehr. Der hämmernde Schlag des Herztonverstärkers dröhnte in ihren Ohren, das Piepen schien sich in ihr eigenes Gehirn zu bohren. Du musst diese zweite Blutung finden, Julian, du musst sie finden und stillen!
    »Kauter!«, rief er. Die Operationsschwester drückte ihm die elektrische Pinzette in die ausgestreckte Hand, und Julian fragte Fleming: »Sehen Sie die Blutungen? Es müssen mehrere sein. Eine … eine ist oben am Cerebellum, eine gerissene Brückenvene. Die andere muss irgendwo …«
    »Rechts unten«, antwortete Fleming, der von seinem Platz hinter dem Kontrollpult auf den Monitor an der OP-Wand starrte, mit beunruhigender Bestimmtheit.
    Rechts unten verlief die Kleinhirnschlagader. Rechts unten spreizte sich das Delta der kleinen Äderchen, die den Hirnstamm speisten. Julian blinzelte ein paar Schweißtröpfchen von den Wimpern. Versuchte, das Mikroskop schärfer einzustellen. »Ich kann nichts erkennen«, sagte er. »Nochmal ausspülen!«
    Er weiß nicht, dass Fleming mit Cassidy unter einer Decke steckt. Er hat keine Ahnung, dass er ihm nicht trauen darf.
    Wasser wirbelte unter dem Objektiv des Mikroskops über die Hirnlandschaft. Hellrote Strudel. Gleißendes, funkelndes Glitzern.
    »Sehen Sie, da, unten rechts!«, rief Fleming drängend.
    Aber Ella sah es nicht, nur eine Art Kaskade, nahe am Hirnstamm, viel zu nah. Wenn Julian mit der Pinzette danebenfasste, steckte er mitten im Delta, und deswegen zögerte er immer noch.
    »Was haben Sie denn, großer Gott?« Flemings Stimme hatte einen drängenden, fast wilden Unterton. Die Intervalle zwischen den Pieptönen des Monitors wurden länger. Das Pochen setzte aus und wieder ein und wieder aus. »Worauf warten Sie, es ist doch direkt vor Ihnen!«
    Julian saß bewegungslos hinter dem Mikroskop, unfähig, zu reagieren, als könnte jede noch so kleine Bewegung das Verhängnis auslösen. Und das Blut stieg weiter, verschluckte die Nischen und Mulden der Höhlenlandschaft in Annikas Schädel.
    Ellas Blick flog durch den halbdunklen Raum, vom Monitor zu DI Cassidy, dessen Lippen sich lautlos bewegten, während er die Augen nicht von den Vorgängen auf dem Bildschirm löste, und das war dumm, weil er noch immer das Handy in der Schlingenhand hielt, keinen Revolver , und auch die andere Hand steckte nicht mehr in der Tasche mit der Waffe. Ella zögerte keine Sekunde. Ihr Blick war auf eine Schublade mit OP-Besteck gefallen. Mit drei schnellen Schritten war sie bei der Schublade, riss sie auf, griff nach einem Skalpell und stand neben Cassidy, bevor er kapierte, was geschah. Stand neben ihm und presste die scharfe Klinge des Skalpells gegen seine Kehle. »Nicht bewegen, nichts sagen!«, stieß sie hervor. »Einfach ganz ruhig bleiben!«
    Der Detective Inspector erstarrte, legte nur den Kopf etwas in den Nacken, als wäre seine Kehle dann weniger verwundbar. Das Bild des Monitors spiegelte sich rot glitzernd auf der Stahlklinge, und Ella roch die Ausdünstung von Leder und Schweiß, als sie Cassidy erst in die linke Jackentasche griff, um den Revolver herauszuholen, und dann in die linke Hosentasche, in der das Aufnahmegerät steckte. »Sie begehen einen Fehler«, ächzte der Detective. »Einen riesengroßen Fehler.«
    Ella lief zur Schwingtür – keine Zeit, Handschuhe, Mundschutz oder einen sterilen Kittel anzuziehen –, stieß sie auf und blieb weit genug vom OP-Tisch stehen, um Anni nicht zu gefährden. »Julian, tu es nicht!«, rief sie. »Fleming steckt mit ihnen unter einer Decke!«
    Er reagierte nicht, hob die Augen nicht vom Okular, gab mit keinem Zeichen zu erkennen, dass er sie verstanden hatte.
    »Cassidy wird mir nichts tun, Julian«, ihre Stimmer überschlug sich fast, »keinem von uns. Ich habe einen Mitschnitt von eurem Gespräch, davon, wie er dich erpresst hat. Damit geht er nicht zum Secret Service, damit geht er ins Gefängnis!«
    Plötzlich schien Julian zu erwachen. »Spülen und Strom!«, befahl er.
    Wieder wusch der Wasserstrahl unter dem Mikroskop vorbei, und eine Sekunde lang sah Ella die zweite Blutung klar und deutlich auf dem OP-Monitor – links oben. »Strom!«, verlangte Julian noch einmal lauter.
    »Nein, Schwester, das ist zu gefährlich«, rief Fleming. »Er gefährdet

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