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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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gemalt. Jo.
    Ich habe mich umgeschaut. Sein Atelier ist phantastisch. Hier zu arbeiten muss ihn glücklich machen. Ich habe noch nie so etwas Schönes gesehen, einen Platz wie diesen. Sie schaute in sein unbewegtes Gesicht.
    Sie rätselte in Gedanken, ob es sein Bruder war. Wer war ihm so nahe. Wen ließ er hier arbeiten. Er lebte allein, das war klar. Ein Freund, der hier arbeitete, sie schaute Mosca an und wartete. Er war in Gedanken und sagte nichts. Sie schwieg mit ihm.
    Die Bilder sind wunderschön, sagte sie dann.
    Sie wollte mehr wissen, wer dieser Maler war, der so besessen die französischen Bilder kopierte, warum er hier arbeitete in dieser Wohnung.
    Wo ist Jo, fragte Anna.
    Er ist tot, sagte Mosca.
    Er lehnte in dem weißen Sofa, trank ruhig seinen Kaffee und schaute sie an.
    Er ist von der Leiter gefallen.
    Anna war überrascht.
    Damit hatte sie nicht gerechnet. Wann ist das passiert, fragte sie.
    Vor einem Jahr, sagte Mosca geduldig.
    Er war bereit, ihre Neugier zu stillen. Kurz.
    Und Sie haben alles so gelassen.
    Ja.
    Hat er hier gewohnt.
    Ja.
    Standen Sie ihm nahe.
    Ja.
    Sehr nahe.
    Ja.
    Anna fluchte innerlich. Sie hätte es wissen müssen, er war schwul, er war verdammt noch einmal schwul. Und sie hatte es nicht bemerkt, hatte ihn verliebt angeschaut die ganze Nacht und sich nichts gedacht. Sie hätte es wissen müssen. So ein Mann konnte nur schwul sein. Zum ersten Mal seit ihrer Flucht hatte sie wieder etwas gefunden, sie hatte sich fallen gelassen in dieses Gefühl, in diese Nacht hinein, sie hatte sich gehen lassen, sich nicht zurückgehalten wie sonst. Was für ein Dummkopf sie war in diesem Moment. Sie schwieg.
    Er saß immer noch ihr gegenüber, und er war noch immer ein faszinierender Mann.
    Sie bedauerte sich. Sie überlegte fieberhaft, was sich in diesen Sekunden verändert hatte. Ihr neues Leben, das sie vor wenigen Stunden begonnen hatte, ging jetzt zu Ende. Sie würde diesen Mann nie bekommen, nicht ganz. Höchstens ein Stück von ihm. Sie betrachtete ihn. Er wusste, was sie dachte, was in ihr vorging. Sie tat ihm beinahe Leid, aber er konnte nichts daran ändern.
    Ich zeichne, sagte sie, ich arbeite an einem großen Zyklus über das Verschwinden.
    Sie war Künstlerin, nicht Zuckerbäckerin.
    Das klingt schön, sagte Mosca. Er überlegte. Sie können gerne hier arbeiten, wenn Sie wollen. Das Atelier ist ungenutzt. Ich gebe Ihnen einen Schlüssel, wenn Sie gehen.
    Er schaute auf die Uhr.
    Das ist verrückt, dachte Anna. Sie hatte es gespürt. Dieser Raum wollte zu ihr. Deshalb war sie hier. Sie sollte ihn finden und mit Atem füllen, ihn wiederbeleben. Aber sie war doch eine Fremde, er wollte sie in seine Wohnung lassen. Ihr einen Schlüssel geben, ihr vertrauen. Sie betrachtete sein Gesicht. Sie saß ihm gegenüber. Und sie schauten sich in die Augen.
    Sie wusste, dass er es ernst meinte.
    Danke, sagte sie nur.
    Er stand auf.
    Ich muss jetzt arbeiten, sagte Mosca.
    Er gab ihr die Hand und half ihr hoch. Sie schauten sich noch einmal lange an. Anna spürte kurz wieder dieses Bedauern, eine kleine Trauer, dass es nicht mehr sein konnte irgendwann. Sie wollte ihn umarmen, ihn halten, aber sie tat es nicht. Mosca brachte sie zur Tür und gab ihr den Schlüssel. Er stand da und schaute.
    Er sagte etwas, nahm ihre Hand und drückte sie.
    Er sagte es langsam und leise.
    Dann war er wieder alleine.
    Er stand im Vorraum und atmete.
    Er blieb lange dort stehen.
    Gerne hätte er sie zum Abschied umarmt. Aber er wollte keinen mehr in seiner Nähe. Keinen so nahe, dass es weh tat. Er musste sich jetzt anziehen. Er ging zurück in den Wohnraum.
    Das war vor einer Stunde und siebenundzwanzig Minuten.

23.
    Ming stand am Schalter und zitterte.
    Der Bankangestellte konnte es nicht sehen, ihre Hände lagen ruhig auf dem Pult, aber ihre Beine waren weich und unruhig. Sie konnte sich kaum aufrecht halten, sie hatte das Gefühl, sie würden jeden Augenblick wegbrechen unter ihr. Sie hatte Angst. Sie schaute zu, wie er ihr den Scheck aus der Hand nahm und schluckte, als sie sagte, er solle ihr nur große Scheine geben, sie wolle das Geld nicht einzahlen, sondern mitnehmen.
    Er begann, in seinen Computer zu tippen. Es war früh am Morgen, er war noch müde, er hatte noch keine Lust auf Gespräche, er machte einfach seine Arbeit.
    Ming beobachtete ihn. Ein junger Mann im Anzug. Schlecht rasiert, aber ordentlich. Jeden Morgen an diesem Schalter, diese Vorstellung machte ihr Angst.
    Das wollte sie nicht. Das

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