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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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nur seine Schuhe im Gang, nur einen Mantel am Haken draußen, nur ein Glas stand neben dem Waschbecken.
    Es war einsam hier, das spürte sie. Es war schön hier, aber einsam. Die Luft war so. Traurig fast. Und trotzdem wunderschön. Von dem Moment an, als die Tür auf­gegangen war. Ob er von dieser Farbe besessen war, ob es seine Bilder waren. Wessen sonst. Er lebte allein hier.
    Nirgendwo ein Foto von einem anderen, er war allein. Aber seine Hände waren so glatt, so sauber, keine Farbe an keiner Stelle. Keine Farbe, wo sie sein hätte müssen. Keine Spur von dem Blau an ihm. Kein Staub an keiner Stelle in diesem Raum. Sie holte sich mehr Wein aus der Küche. Er schlief immer noch.
    Sie ging zurück ins Atelier und stand vor dem Bücherregal. Sie begann zu lesen. Yves Klein. Das Internationale Klein-Blau. Nur Literatur über ihn, Fotos, Biografien, blaue Bilder. Anna verstand es nicht. Der Maler war tot, seit fast fünfzig Jahren, aber die Bilder waren hier, dieselbe Besessenheit, über die sie in den Büchern las. Dieselbe Farbe.
    Wer hat diese Bilder gemalt. Sie wollte es wissen.
    Der Mann im Anzug war es nicht, sie war sich sicher. Er war nicht verrückt genug.
    Anna stöberte im Raum herum. Sie berührte alles. Sie nahm alles in die Hand, blätterte sich durch die Bilder, die an der Wand lehnten. Blau gefärbtes Leinen, auf Holzrahmen aufgezogen, nur die Größe unterschied sie und die Farbtönung. Manche waren heller als andere, manche dunkler. Sie ging zurück in den Wohnraum. Auf dem Weg schenkte sie sich noch mehr Wein ein.
    Es war vier Uhr früh, sie war hellwach. Alles war so aufregend, so neu, so ungewöhnlich. Sie war in einer anderen Welt. Sie ging leise in das Schlafzimmer und schaute ihn an. Mosca war sein Name.
    Er schlief tief. Sein Gesicht war jetzt friedlich.
    Er hörte sie nicht, spürte sie nicht, ihre Bewegungen, als sie sich neben ihn aufs Bett setzte. Sie schaute ihn lange an.
    Schlafende Menschen verraten alles, hatte sie immer gesagt. So wie das Gesicht ist, wenn es schläft, so ist die Seele.
    Moscas Gesicht war wie eine Herbstlandschaft. Es war still und voll Orange und Rot und Braun, warme Farben überall. Viele Blätter lagen am Boden und spielten im Wind, nackte Äste zeigten, wie schön sie waren. Der Himmel war tiefblau. Sein Gesicht sagte ihr, dass sie sitzen bleiben konnte neben ihm, dass ihre Haut in Sicherheit war. Keine Löcher mehr.
    Sie überlegte lange, ob sie ihn berühren sollte, ob sie ihm über sein Gesicht streichen sollte mit ihren Fingern. Sie überlegte lange. Er war so fremd und doch so vertraut. Sein Gesicht war plötzlich Heimat. In diesem Herbst wollte sie wandern, sich über die Wiesen rollen und lachen. Laut und glücklich lachen.
    Sie bewegte die Außenseite ihres Zeigefingers leise über seine Wange. Sie hörte seine Haut, wie die Blätter unter ihren Füßen knisterten. Anna war glücklich in dieser Nacht. Auch wenn es verrückt war, sie streichelte ihn. Einen Mann, den sie vor einigen Stunden auf einem Clubbing gefunden hatte, der kaum sprechen konnte, sie war in seiner Wohnung, aß aus seinem Kühlschrank, saß auf seinem Bett. Und sie streichelte ihn.
    Bis ihre Finger müde wurden. Sie hatte alle Lichter ausgemacht. Nur noch die Stadt kam ein wenig durch die Fenster. Ihre Augen wurden schwer. Ihr Kopf kippte nach hinten an die Wand und sie schlief ein. Ganz dicht neben ihm. Sie hörte ihn atmen. Ein vertrautes Geräusch.
    Dann war es dunkel.
    Kurz nach sechs wachte Mosca auf.
    Er schlief selten länger als fünf Stunden. Das genügte ihm. Er fühlte sich besser. Der Alkohol und das andere waren aus seinem Kopf verschwunden.
    Er machte zuerst nur die Augen auf, wie jeden Morgen, er bewegte sich nicht. Er schaute an die Decke und kam im neuen Tag an, langsam. Dann erst bewegte er sich. Zuerst die Arme, die Finger, die Hände, Beine, Füße. Er spürte genau hin, er nahm sich diese Zeit. Erst, wenn er sich überall gespürt hatte, nahm er alle Glieder zusammen und stieg mit ihnen aus dem Bett. Er besuchte jeden Teil von sich. Aber heute war es anders.
    Er machte die Augen auf, er spürte, dass er noch angezogen war, und er spürte Anna. Seinem Körper entlang lag eine Frau. Ihre Locken berührten seinen Hals, ihr Arm lag um seinen Oberkörper. Ihr Kopf war an seine Schulter geschmiegt. Er rührte sich nicht.
    Sie hatte sich zu ihm gelegt, sie hatte hier bei ihm übernachtet. Er blieb still liegen, er wollte sie nicht wecken. Er wollte nicht, dass sie zu

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