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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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versuchte, ihn an sich zu ziehen, aber er blieb mit seinen Füßen am Boden. Er spürte den weißen Marmor unter sich. Er konnte die Welt nicht so vergessen, wie Jo es tat, sie hinter sich lassen, dorthin gehen, wo alles nur noch Blau war.
    Er stand neben Jo, hielt seine Hand und versuchte, neben ihm zu sein, an seiner Seite zu schwimmen. Er genoss das Glück, das Jo neben ihm empfand. Es wärmte ihn, Jo so zu sehen, ihn so zu spüren, so unendlich zufrieden und frei von allem.
    Jo hatte sich sein Glück gekauft in Polen, alles, was ihm wichtig war.
    Das wusste Mosca. Er war nur der, der seine Hand hielt.
    Die junge, verrückte Hand mit den blauen Flecken auf der Haut.
    Mosca drückte sie fest. Wein in seinem Mund.
    Vor ihnen das Bild an der Wand.
    Mosca erinnerte sich.
    Er hatte sich zuerst dafür gehasst.
    Wie alles angefangen hatte.
    Er suchte im Internet und las über Yves Klein.
    Er war es gewohnt, im Netz zu recherchieren, viele Stunden verbrachte er vor dem Bildschirm, er las auf deutschen und französischen Seiten über Klein. Er wollte mehr wissen. Er tat es nicht mit derselben Besessenheit wie Jo, aber er machte sich sein eigenes Bild. Gepaart mit dem, was Jo ihm erzählte, wurde es immer konkreter, die Vorstellung, wer Yves Klein war und was er mit seinen Bildern wollte. Mehr noch aber war er von der Fotografie fasziniert. Klein hatte sie anfertigen lassen für eine Zeitung, die er selbst für einen einzigen Tag herausgab. Le Dimanché, die Zeitung für einen Tag.
    Verrückt, dachte Mosca, aber großartig irgendwie.
    Im November 1960 beauftragte er zwei Fotografen, die ihn beim Sprung aus dem ersten Stock eines Hauses in der Rue Gentil-Bernard fotografieren sollten. Harry Shunk, der im Laufe von Yves Kleins Leben mehrmals Porträts von ihm anfertigte, postierte sich am Gehsteig und löste genau im richtigen Moment aus. Mosca fand heraus, dass es sich bei der Fotografie um eine Montage handelte, er fand ein Bild im Internet, das den Sprung ohne den Radfahrer zeigte, der hinten aus dem Bild fuhr. Und eines mit ihm. Auf einem sah man einen vorbeifahrenden Zug, auf dem anderen war der Zug verschwunden.
    Mosca saß gierig vor dem Bildschirm und freute sich über seine Entdeckungen. Der Fotograf hatte die Bilder nachträglich bearbeitet, es gab insgesamt drei Versionen, und alle drei waren genial. Das Bild hatte etwas, das Mosca nicht mehr losließ, es hielt ihn fest, es faszinierte ihn. Diese Idee vom Fliegen.
    Er las weiter. Über Kleins Freunde, die unten auf der Straße gestanden waren, um ihn mit einem Sprungtuch aufzufangen, darüber, dass seine Frau Rotraud darauf bestanden hatte. Klein hatte den Sprung bereits vorher versucht, ohne Netz, er hatte sich dabei Prellungen zugezogen, und die Sorge seiner Frau. Klein war mit dem Ergebnis des ersten Sprungs unzufrieden gewesen und hatte ihn deshalb wiederholt. Er wollte das perfekte Bild, er wollte fliegen.
    Mosca war begeistert, auf seine stille, zurückhaltende Art. Klein verwirklichte für sich den Traum, schwerelos zu sein, in der Luft frei zu schweben, und er hielt diesen Moment fest, diesen Moment, diesen Bruchteil einer Sekunde vor dem Fall.
    Mosca druckte sich das Foto aus und hängte es an die Kühlschranktür. Das war sein Bild. Er verstand es völlig. Es kam tief innen in ihm an.
    Der Sprung in die Leere, hieß es.
    Ein wenig erkannte er sich selbst wieder, den Anzug, die zurückgestrichenen Haare, diese elegante Erscheinung. Vielleicht war Jo deshalb bei ihm geblieben, weil er Yves Klein ähnelte.
    Mosca liebte Jo. Alles an ihm. Seine Frechheit, die unbeschwerte Art, seinen ungebrochenen Lebensdurst. Sie harmonierte wie das Blau der Bilder mit dem Weiß der Wände. Mosca las weiter. Stundenlang saß er vor dem Schirm, während Jo malte. Über das Blau, darüber, dass Klein zuerst Monochrome in anderen Farben gemalt, dass er sich dem Blau erst langsam angenähert hatte. Und dass er es, als er es gefunden hatte, nicht mehr losließ.
    So gerne hätte Mosca Jo ein Original besorgt, es ihm an den Frühstückstisch gestellt, ihn geküsst und ihm das Bild geschenkt, aber als er im Internet die Preise las, mit denen Bilder von Yves Klein am Kunstmarkt gehandelt wurden, verabschiedete er sich von dieser Idee. Er schüttelte den Kopf und zählte die Nullen.
    Er blätterte weiter im Netz, er forschte in Kunstforen und tauschte E-Mails aus mit Klein-Anhängern. Nächtelang saß er vor seinem Computer, während Jo im Atelier Farbe auftrug. Je länger sich Mosca

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