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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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    Das Postdampfschiff »König von Italien« aus Palermo, das die Sizilianer in einer Mischung aus Gewohnheit, Trägheit und Ehrerbietung gegenüber dem Bourbonenkönig, der diesen Dienst eingerichtet hatte, dickköpfig weiterhin »Franceschiello« nannten, legte zu Silvester des Jahres 1880 Schlag zwei Uhr mittags im Hafen von Vigàta an.
    Während die Passagiere aus dem Laderaum in einem unglaublichen Wirrwarr von Rufen, Grußworten, Tränen, Obstkörben, Kartoffelsäcken, Tongefäßen, Brotkörben, an den Beinen gebündelten Hühnern und Salzbrocken von den heftig schaukelnden Holzflößen, die sich dem Schiff rasch von beiden Seiten genähert hatten, an Land stürzten, schickten sich die vier Fahrgäste der Kabinen an, eine zwar vornehmere, aber noch heftiger schaukelnde Jakobsleiter hinunterzusteigen. Kapitän Cumella verabschiedete sie ehrerbietig und hielt dabei seine Taschenuhr in der Hand, um zu bedeuten, daß er und sein Schiff – gleich ob das Meer spiegelglatt war oder wie ein wildes Tier tobte – stets pünktlich seien.
    Die Passagiere, die das Brückendeck verließen, waren im einzelnen: der Leiter des Postamts von Vigàta, Carlo Colajanni, aus Trapani heimkehrend, wo er mit väterlicher und unerschöpflicher Hingabe seiner einzigen Tochter Serafina, die schon zum achten Mal niedergekommen war, unter die Arme gegriffen hatte; Frau Clelia Tumminella, eine Dame von bemerkenswerter Schönheit, jedoch befallen von einem mysteriösen Leiden, weshalb sie alle zwei Monate zur dringenden Behandlung nach Castellammare fahren mußte. Böse Zungen behaupteten, daß die eigentliche Therapie aus dem Wurzelextrakt bestehe, den ein gutgebauter Cousin in dieser Gegend ihr jedesmal bereitwillig verabreichte; der Befehlshaber der Garnison von Vigàta, der Oberleutnant Amedeo Baldovino (oder Baldovino Amedeo?) aus Cuneo, dessen militärisch gedrillte Hände Frau Clelias Hüften bei dem gefährlichen Abstieg über die Schiffsleiter stützten.
    Die Sprossen hinter den dreien waren leer; der vierte Passagier, ein junger Mann von auswärts, noch keine Dreißig, karierter Anzug, englische Schildmütze, dünner Schnurrbart, schmal auf der Brust, keine besonders brillante Erscheinung, stand mit dem einen Fuß auf dem Brückendeck und hielt den anderen in der Luft, als wolle er mit diesem angedeuteten Fußtritt zwischen sich und den Reisegefährten gebührenden Abstand schaffen.
    Schon auf der Fahrt war er auf Distanz gegangen; knapp und freundlich stand er, falls nötig, Rede und Antwort, doch kaum steuerte der neugierige Fragesteller das Gespräch auf den Punkt, von ihm Namen und Beruf zu erfahren, wich er aus und verstummte.
    Bevor der Fremde seinen Fuß auf die erste Stufe der Schiffsleiter setzte, wartete er, bis das Trio vor ihm festen Boden erreicht hatte und das Ritual der Verneigungen, des Händeschüttelns und Hutlüpfens beendet war. Erst dann setzte er sich in Bewegung, jedoch ohne Eile, schön gemächlich, den Kopf neugierig nach allen Seiten wendend, um die niedrigen, gelb, weiß, grün und blau getünchten Häuser von Vigàta in Augenschein zu nehmen. Ehe man sich’s versah, war die Hafenmole wie ausgestorben, der eisige Nordwind schien die Passagiere und die auf sie Wartenden weggeblasen zu haben. Als der fremde Fahrgast, nur mit einem Faltkoffer in der Hand, am Ende der Schiffsleiter angekommen war, sah er zu Kapitän Cumella hinauf.
    »Was meinen Reisekoffer angeht…«, begann er.
    Kapitän Cumella unterbrach ihn mit ausladender Armbewegung. »Seien Sie unbesorgt. Darum kümmere ich mich.«
    Der Fremde brauchte nur zwei verödete Straßen zu überqueren, und schon war er auf dem Hauptplatz von Vigàta, um den sich die Mutterkirche, der Zirkel der Adligen, der dreistöckige Palazzo des Barons Uccello, der zweistöckige des Marchese Peluso, die fünf Kontore der Schwefel-, Saubohnen- und Süßmandellager, die Sizilianische Kredit- und Wechselbank und das Rathaus aneinanderreihten. Zwischen der Kirche und dem Zirkel der Adligen verlief der Corso, eine kleine Straße wie viele andere auch, nur etwas weniger verschlungen. Auch die Piazza war wie ausgestorben, einzig ein gescheckter Hund hob seelenruhig sein Bein und pißte gegen eine seltsame Statue ohne Sockel, die neben der nur angelehnten Tür des Zirkels der Adligen stand. Das graubraune Monument thronte aus unerfindlichen Gründen auf einem echten Strohstuhl mit Armlehnen und stellte einen altersschwachen Herrn mit langem Bart und Redingote dar, der

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