Nur die Küsse zählen
Wir haben unseren Dad vor zehn Jahren verloren. Meine Schwestern und ich waren gerade mit der Highschool fertig und wollten aufs College gehen. Meine Brüder waren entweder auf dem College oder schon damit fertig. Ich hatte keine andere Wahl, als die Trauer einfach mit allen Sinnen zu durchleben. Es war schwer. Jeder einzelne Tag war schwer. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit diesem emotionalen Verlust klarkommen und sich gleichzeitig noch um zwei jüngere Brüder kümmern kann.“
Finn war das Lob sichtlich unangenehm. „Ich habe nur getan, was getan werden musste. An manchen Tagen finde ich, ich habe meine Sache ganz gut gemacht. An anderen, wenn ichhier in meinem Hotelzimmer in Fool’s Gold sitze, glaube ich, total versagt zu haben.“
„Das haben Sie nicht. Was die beiden hier machen, hat nichts mit Ihnen zu tun.“
Er sah sie an. „Ich würde Ihnen gerne glauben.“
„Dann tun Sie’s einfach.“
„Sie sind ganz schön herrisch, hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?“
„Machen Sie Witze? Mit drei Brüdern? Ich trage eine Krone, ich bin die Königin der Herrschsucht.“
Finn lachte. Der warme Klang erfüllte das Zimmer und ließ sie lächeln. Sie unterhielten sich weiter, bis die Uhr in der Küche piepte.
„Kommen Sie“, sagte Dakota und stand auf. „Unsere Tofuüberraschung erwartet uns.“
Finn genoss das Abendessen. Nicht nur das Hühnchen und das Kartoffelmus – es war das Beste, das er seit Monaten, vielleicht sogar Jahren gegessen hatte –, sondern auch das Gespräch. Dakota erzählte lustige Geschichten über ihre Kindheit in Fool’s Gold. Er wusste, wie Kleinstädte waren, aber verglichen mit South Salmon wirkte Fool’s Gold wie New York City. Wo er lebte, neigten die Menschen dazu, für sich zu bleiben. Sicher, man konnte auf seine Nachbarn zählen, wenn man Hilfe brauchte, aber ansonsten kümmerte sich jeder um den eigenen Kram. Nach allem, was Dakota erzählte, war Fool’s Gold jedoch eine Stadt, in der man sich einmischte.
„Ich bin mir sicher, wenn Sie unter anderen Umständen hergekommen wären, würde es Ihnen hier wesentlich besser gefallen.“
„Mir gefällt Fool’s Gold eigentlich ganz gut“, erwiderte er.
„Aber es wird immer die Stadt sein, in die Ihre Brüder geflüchtet sind.“
„Sehen Sie es mal so“, sagte er. „Wenn Sasha nach L. A. zieht, werde ich statt Fool’s Gold eben L. A. hassen.“
„Das ist nicht sehr tröstlich.“
Sie lächelten einander über den Tisch hinweg an. Ihm gefiel, wie das Licht auf ihren Haaren spielte und die verschiedenen Blondtöne hervorhob. Wenn sie lachte, bildeten sich kleine Fältchen in ihren Augenwinkeln, bei deren Anblick er auch lachen wollte. Es war so unkompliziert, sich mit Dakota zu unterhalten. Er hatte ganz vergessen, wie nett es sein konnte, einen Abend in weiblicher Gesellschaft zu verbringen.
„Wie kommt es, dass Ihr Chef so verständnisvoll ist?“, wollte Finn schließlich wissen. „Sie sagten, Sie hätten eigentlich andere Aufgaben. Was macht er, solange Sie für die Show arbeiten?“
Dakota zog die Nase kraus. „Auf jeden Fall vermisst er mich nicht“, grummelte sie. „Raoul ist vollauf damit beschäftigt, mit seiner neuen Frau Mutter, Vater, Kind zu spielen. Gucken Sie Football?“
„Ein wenig. Wieso?“
„Raoul Moreno ist mein Chef.“
„Der Quarterback der Dallas Cowboys?“
„Genau der. Nachdem er seine Karriere beendet hatte, hat er einen Ort gesucht, um sesshaft zu werden. Hier ist er gelandet. Es gab ein verlassenes Camp oben in den Bergen, das hat er gekauft und renoviert. Dann hat er mich angestellt, um verschiedene Projekte auf die Beine zu stellen. Er hatte die Idee, das Camp das ganze Jahr über zu nutzen. Im Winter wollte er Mathematik- und Wissenschaftskurse für Schüler der Mittelstufen anbieten, um ihnen zu zeigen, welche Möglichkeiten diese Fächer einem eröffnen.“
Klingt nach einer guten Idee, dachte er. „Was ist passiert?“
„Eine der örtlichen Grundschulen ist niedergebrannt. Schuld daran war der uralte Ofen, mit dem das Gebäude beheizt wurde. Raoul hat der Schulbehörde das Camp als Ausweichquartier angeboten. Das war im letzten September. Bis die neue Schule gebaut ist und die Kinder umgezogen sind, ist das Camp voll. Und unsere großen Pläne sind damit auf Eis gelegt. Was der Hauptgrund dafür ist, dass es ihm nichts ausmacht, mich für die Fernsehsendung freizustellen.“
Sie beugte sich zu ihm herüber. „Der andere Grund ist, dass er
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