Nur die Küsse zählen
gewesen. Er war einfach dumm, fett und glücklich seinem Tagewerk nachgegangen. Na gut, nicht gerade dumm und fett, aber trotzdem. Er war nicht im Traum auf die Idee gekommen, einen anderen Menschen vom Erdboden zu tilgen.
Das liegt nicht an mir, sagte er sich. Das liegt an dieser verdammten Stadt.
Dakota nahm ihm Hannah ab. Das Baby rührte sich und protestierte leise, bevor es wieder einschlief. Für eine Sekunde schaute Finn in das süße Gesicht der Kleinen und merkte, wie er ruhiger wurde. Dann fiel sein Blick wieder auf den Fernseher, wo sein Bruder mit einem hemmungslosen Cougar rummachte, und die Wut kehrte zurück.
„Geh nicht, solange du so wütend bist“, bat Dakota ihn. „Ich weiß, dass du dich darüber nicht gerade freust.“
„Nicht freuen?“
Um des Babys willen versuchte er, leise zu sprechen, obwohl er am liebsten gebrüllt hätte. Ja, so richtig zu schreien war eine verdammt verführerische Vorstellung. Genau wie mit Sachen um sich zu werfen oder mit der Faust gegen die Wand zu schlagen. Wenn er das allerdings tat, riskierte er, hier etwas kaputt zu machen. Und das Einzige, was er im Moment zerstören wollte, war Geoffs Gesicht.
„Wenn ich in mir keinen Hass auf sie schüre, wie soll ich sie dann umbringen?“
„Sprichst du von Aurelia?“ Dakota schaute ihn aus großen Augen an. „Du kannst niemanden umbringen. Das ist nicht nur falsch, das liegt auch gar nicht in deiner Natur.“
„Das könnte es aber. Ich bin durchaus in der Lage, die Meinen zu beschützen. Ich wusste, dass sie ein Cougar ist. Ich wusste es und hätte von Anfang an etwas dagegen unternehmen sollen. Als ich das letzte Mal mit ihr gesprochen habe, war sieso nett. Sie hat so getan, als läge es ihr am Herzen, dass Stephen ans College zurückkehrt. Aber das war alles nur gespielt.“
„Du willst deinen Bruder vor der Frau beschützen, in die er vermutlich verliebt ist? Ja, das ergibt Sinn. Finn, setz dich! Atme tief durch. Das ist nicht das Ende der Welt.“
„Sie ist beinah zehn Jahre älter als er. Sie steht mit beiden Beinen im Leben. Was will sie von meinem kleinen Bruder?“
„Ich bin sicher, die Frage hat sie sich auch gestellt. Ich kenne Aurelia nicht sonderlich gut, aber ich bin ihr ein paar Mal begegnet. Ich bin zur selben Schule gegangen wie sie. Sie ist nicht aggressiv. Sie hat eine grauenhafte Mutter und lebt ein sehr beengtes Leben. Ich bin sicher, sie ist hierüber genauso bestürzt wie du.“
Er schaute mit Absicht zum Fernseher, auf dem das fragliche Pärchen sich immer noch küsste. „Ja. Ich sehe, wie verstört sie von der ganzen Sache ist.“
Dakota bettete Hannah auf ihre andere Seite. „Vielleicht ist sie in genau diesem Moment nicht bestürzt, aber ich bin mir sicher …“
„Sie will was von ihm. Was auch immer es ist, sie wird es nicht bekommen. Sie benutzt ihn nur. Wahrscheinlich hat sie das Ganze von Anfang an geplant.“
Dakota sah nicht überzeugt aus. „Tu nichts Unüberlegtes.“
Er ignorierte ihre Bitte. „Verrätst du mir, wo sie wohnt?“
„Nein. Und du solltest dich erst auf die Suche nach ihr und deinem Bruder machen, wenn du dich beruhigt hast.“
„Das wird noch lange dauern.“ Er ging zur Tür, kehrte dann um und kam zurück. Er gab Dakota einen Kuss auf die Wange und Hannah einen auf die Stirn, dann stapfte er davon.
Vor Dakotas Haus hielt er inne, nicht sicher, in welche Richtung er gehen sollte. Er hatte keine Ahnung, wo Aurelia wohnte. Also würde er mit Stephen anfangen.
Er ging in Richtung Stadtzentrum. Seine Brüder teilten sich ja in einem Motel auf der anderen Seite des Parks ein Zimmer, direkt am See. Fünfzehn Minuten später klopfte er an die Tür zu ihrem Zimmer, aber nichts rührte sich. Zweifelsohne versteckteStephen sich vor ihm. In Anbetracht von Finns Launen ein durchaus kluger Schachzug.
Er überquerte gerade den Parkplatz, als er Stephen und Aurelia kommen sah. Die beiden hielten Händchen und blieben abrupt stehen, sobald sie ihn entdeckten.
Er blieb ebenfalls stehen und wartete ab.
Zwischen ihnen lagen ungefähr zehn Meter. Stephen flüsterte Aurelia etwas zu, dann kamen die beiden näher. Sie gingen unter einer Straßenlaterne entlang. Jetzt erkannte Finn, dass Aurelia geweint hatte.
Das ändert gar nichts, sagte er sich. Sie war eine gute Schauspielerin. Zu schade, dass das Los sie nicht mit Sasha zusammengebracht hatte. Sie hätten gemeinsam Ruhm und Erfolg ernten können.
„Offensichtlich müssen wir uns unterhalten“, sagte
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