Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)
Mord Azur
Nur die Nacht war Zeuge
Copyrigh t Judith Lawrenz
Titelgestaltung: Ines Wallum, München
Titelfoto: Getty Images
1.
Sie hasste ihn, sie hasste ihn aus tiefster Seele, diesen kleinen, unfähigen, hinterlistigen Korinthenkacker. Wären sie die Fusion mit der Smith, Henderson Agenturen-Gruppe nicht eingegangen, wäre sie diesem neurotischen Menschen nie begegnet.
Anne-Sophie Marrais, das M der VMC, Smith, Henderson, war auf dem Weg zum Hotel Martinez in Cannes. Sie lief gesenkten Hauptes die Croisette hoch, ohne einen Blick auf das azurfarbene Meer oder die majestätischen Palmen zu werfen, die die Prachtstraße säumten.
Die Croisette hatte die Löwen geflaggt. Wie jedes Jahr in der dritten Juni-Woche feierte die Welt der Werbung ihr Festival. Ein Festival der Eitelkeit und des großen Geldes.
Alle europäischen Manager der Smith, Henderson Agenturen-Gruppe waren geladen, um die neu gesteckten Ziele der Muttergesellschaft in Erfahrung zu bringen.
Was für Ziele hatten sie diesmal geplant? Warum war der Oberste aus New York diesmal mit zwei Finanzleuten angereist? Anne-Sophie war voller Fragen, die wichtigste davon war, würden die Amerikaner bei all dem Trubel die Zeit haben, die Probleme ihrer Agentur zu besprechen. Julien Villepin hatte gekündigt und seine Nachfolge war noch nicht geregelt. Würden die Amerikaner Piet Drachmann zum alleinigen Geschäftsführer Beratung machen, blieb Anne-Sophie keine andere Wahl, als die Agentur zu verlassen. Was dann?
2.
Bernard Cabernet, das C der VMC, Smith, Henderson, saß am Frühstückstisch mit seiner Frau Edda. Die beiden Söhne waren bereits auf dem Weg zur Schule. Es war der Moment, wo Edda und Bernard Zeit hatten, das eine oder andere zu besprechen.
Edda brannte das Thema Gütertrennung auf der Zunge.
Die Smith, Henderson hatte eine Gütertrennung von Bernard verlangt. Bernard müsse noch in diesem Jahr einen Ehevertrag abschließen und Gütertrennung beantragen.
„Warum das denn“, hatte sie mit großen Augen gefragt.
„Ihr Mann ist Gesellschafter, er baut eine Firma auf, im Falle einer Scheidung gefährdet er den Fortbestand des Unternehmens“,, hatte Harry Smith, der internationale Präsident, ihr mit geduldiger Miene erklärt.
„Wir sind schon über zehn Jahre verheiratet und haben zwei Kinder. Bernard ist ein guter Ehemann und Vater.“
„Bernard ist ein toller Ehemann und Vater, ganz klar, aber weiß man im Voraus was alles passieren kann? Ein guter Freund von mir hat sich kürzlich von seiner Frau scheiden lassen. Im Leben hätte er nicht gedacht, dass er sich einmal von seiner Frau trennen würde. Was war passiert, er hatte geerbt und sie drehte durch. Die Wünsche, dies sie auf einmal stellte, die nette, bescheidene Frau, die er einmal geheiratet hatte, war zur Shopping Queen geworden.“
Edda hatte nur ein Zucken der Schultern als Antwort übrig gehabt.
„Warum Gütertrennung von Geschäftsführern verlangt wird ist völlig logisch“, erläuterte Harry mit beschwörender Miene. „Im Falle einer Scheidung müsste die Frau – gemäß des Zugewinnausgleichs – mit der Hälfte des Firmenwertes, der Bernard zusteht, abgefunden werden, auch wenn er weiterhin in seiner Position bleibt. Bei vielen Firmen ließe sich diese Summe nur durch den Verkauf der Firma aufbringen. Wir als Partner Ihres Mannes müssen deshalb auf einer Gütertrennung bestehen. Sollen wir alle, Ihr Mann inklusive, unsere Firma verlieren, nur weil Edda Cabernet nicht bereit ist, eine Gütertrennung zu unterschreiben?“
Edda befand sich in einer Zwickmühle. Sie wollte das schöne, alte Haus in Vallauris, am Boulevard du Cap nicht verlieren. Zu einer anderen Agentur zu wechseln jedoch, war für Bernard kaum möglich. Er würde keine ähnliche Stelle hier im Süden finden, schon gar nicht mit Firmenanteilen, die er sich so gewünscht hatte und endlich durch die Gründung der VMC bekommen hatte. Dennoch, eine Gütertrennung bedeutete für sie persönlich eine ungewisse Zukunft.
Edda seufzte. Bernard blickte von seiner Zeitung hoch.
„Wird das Thema Gütertrennung heute wieder zur Sprache kommen?“ fragte sie ihren Mann.
Bernard kräuselte seinen Mund zu einem Punkt, was er immer tat, wenn er ein Thema nicht mochte. „Ich glaube sie haben augenblicklich andere Sorgen.“
„Die Nachfolge von Julien?“
„Richtig. Piet Drachmann kann sie nicht übernehmen, er ist zu
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