Nur ein Liebestraum am Mittelmeer
an die amerikanische Fernsehserie „Baywatch“ denken. Vermutlich hatten viele Franzosen begeistert verfolgt, wie Pamela Anderson und ihre Geschlechtsgenossinnen sich in die Fluten stürzten. „Ich habe nicht gewusst, dass die Heimlich-Methode bei diesen Rettungen angewandt wird“, sagte er und beobachtete, wie sich ihre grünen Augen dunkler färbten.
„Das wird sie auch nicht.“
„Wie gut, dass sie sie trotzdem beherrscht“, meinte Guy leise, während er Laura bewundernd anblickte.
Raoul hoffte, dass Chantelle diesen Blick nicht sehen konnte. In den Tagen, in denen er auf Geschäftsreise gewesen war, hatte sich in der Welt seines Bruders offenbar viel ereignet.
„Ja, fast sollte man von einem Wunder reden“, meldete sich Maurice zu Wort.
Guy nickte. „Ich möchte, dass ihr es als Erste erfahrt: Laura hat sich von der Arbeit freistellen lassen können. Sie wird die nächsten zwei Wochen, während Françoise nicht da ist, unser Hausgast sein. Ich hoffe, dass ihre Gegenwart sich positiv auf Chantelle auswirkt.“
Raoul brauchte einen Moment, um sich von dieser überraschenden Neuigkeit zu erholen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sein Bruder konnte die Frau unmöglich erst gestern Abend kennengelernt haben. Niemand, der etwas auf sich hielt, würde eine solche Einladung nach so kurzer Bekanntschaft annehmen.
Hatten Guy und sie eventuell schon vor Chantelles Unfall eine Beziehung angefangen? Wusste seine Schwägerin vielleicht sogar davon? Das würde jedenfalls erklären, warum sie sich so stark verändert hatte. Sollte sein Bruder tatsächlich eine Affäre haben, spielte er ein gefährliches Spiel, was so überhaupt nicht zu ihm passte.
Raoul schwirrte der Kopf. Konnte es sein, dass Guy bereits seit einiger Zeit insgeheim ein Verhältnis mit dieser Amerikanerin hatte? War es womöglich mit ihr abgesprochen gewesen, dass sie gestern in seiner Nähe sitzen und er einen Erstickungsanfall simulieren sollte? Hatte er sich so einen Vorwand verschafft, sie in sein Haus zu holen?
Immer hatte Raoul geglaubt, sein Bruder und Chantelle würden eine perfekte Ehe führen. Er hatte nie ein glücklicheres Paar erlebt. Hatte er sich getäuscht und Guy allen etwas vorgegaukelt?
„Wie schön, dass du einen Job hast, der dir so viel Freiheit lässt.“ Raoul beobachtete die Anspannung, die sich in Lauras fein geschnittenem Gesicht spiegelte. Seine Bemerkung hatte offenbar ihr Ziel nicht verfehlt. Sie war sichtlich beunruhigt.
„Ich habe Glück, dass mein Boss so verständnisvoll ist.“
Mit Glück hatte es wohl nichts zu tun. Sie konnte sicher jeden Mann auf der Welt so verzaubern, dass er ihr alle Wünsche erfüllte. Sogar seinen Bruder, zu dem er stets aufgeblickt hatte, unter anderem wegen seiner strengen Prinzipien.
Jetzt brauche ich wirklich einen harten Drink, dachte Raoul und schaute Guy an. „Wenn du mich bitte entschuldigst. Ich möchte Chantelle Hallo sagen.“
Vielleicht brachte die Erwähnung des Namens seiner Frau ihn zur Besinnung und veranlasste ihn, ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken. Nein, seine Worte bewirkten leider nicht das Geringste.
Flüchtig sah er Laura an und nickte höflich zum Abschied. Noch kein weibliches Wesen hatte je zuvor eine solche Anziehungskraft auf ihn ausgeübt. Zielstrebig ging er auf das Arbeitszimmer zu, das an den Wohnraum grenzte. Er öffnete den Barschrank und schenkte sich einen Whisky ein. Hoffentlich betäubte das Getränk seine Sinne ein wenig, die beim Anblick der blonden Amerikanerin in Aufruhr geraten waren.
Außerdem würde ihm diese Stärkung helfen, seine Schwägerin halbwegs normal zu begrüßen und sich nicht zu verraten, bevor er alle Fakten kannte. Er würde Laura Aldridge überprüfen lassen. Dass ein Mann ihren Reizen erlag, konnte er gut nachvollziehen. Aber was wusste Guy tatsächlich über sie?
Raoul stürzte den Whisky hinunter und bediente sich noch ein zweites Mal. Dann schlenderte er mit seinem Glas zu der geöffneten Terrassentür und sah gedankenverloren nach draußen.
„Raoul?“
Er schreckte aus seiner Versunkenheit und drehte sich um. Maurice war ins Arbeitszimmer gekommen. „Ja?“
„Können wir kurz miteinander sprechen?“
„Natürlich. Gehen wir zum Pool“, schlug er vor, denn dort würden sie sich ungestört unterhalten können. „Worüber möchtest du mit mir reden?“
„Über deinen Bruder.“
Beunruhigte Guys seltsames Benehmen auch Maurice? Die beiden waren seit Jahren gute Freunde. „Ich mache mir ebenfalls
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