Nur einen Kuss, Kate!
stöhnte auf.
Wieder hieb er auf die Armlehne, dann auf sein Bein und empfand den Schmerz mit Befriedigung.
In ihrem Zimmer lag Kate auf der Bettdecke, das nasse und zerknüllte Taschentuch in der Hand, während sie die Tapete anstarrte. Nach einem heftigen Weinkrampf erfüllte sie eine sonderbare Ruhe. Es war die Ruhe nach dem Sturm.
Sie hatte nun fast ein ganzes Jahr völlig zurückgezogen gelebt, die Gesellschaft der Menschen gemieden und nur den alltäglichsten Gefühlen Raum gegeben. Eine Entscheidung, die in Angst wurzelte, wie sie nun erkannte. In der Angst, wieder verletzt und zurückgewiesen zu werden.
Eine berechtigte Angst.
Seine Küsse waren alles, was sie erträumt hatte, und mehr. Sie war in Jack Carstairs hoffnungslos verliebt.
Sie erkannte nun, dass ihre Entschlossenheit, ihre Bibelsprüche, ihre sämtlichen Maßnahmen, die allem entgegenwirken sollten, nur verzweifelte Versuche waren, die Wahrheit vor sich zu verbergen. Der Schaden war geschehen, ohne dass sie es gemerkt hatte.
Zunächst hatte sie trotz seiner Anziehungskraft keine Gefahr in ihm gesehen und war froh, dass sie gebraucht wurde. Erst seine Art, sich überall einzumischen, hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Ihre Auseinandersetzungen hatten bei ihr ein Hochgefühl und zugleich Ärger ausgelöst. Dabei war sie nicht so sehr seiner körperlichen Anziehung erlegen, sondern seinem Beschützerinstinkt. Sie hatte versucht, sich dagegen zu wehren, doch auf ein Mädchen, das diese Eigenschaft kaum erlebt hatte, wirkte diese fürsorgliche Art sehr anziehend. Und als sie seinen Schmerz erkannte, konnte sie nicht anders, als darauf zu reagieren. Und bis sie begriffen hatte, wie tief ihre Gefühle für ihn gingen, war es zu spät.
Sie hatte es versucht, aber dann hatte er sie geküsst. Und so wie eine Blume auf die Sonne reagiert, hatte sie ihr Herz geöffnet und ihren Gefühlen freien Lauf gelassen.
Sie liebte ihn.
… immer, wenn du mich mit deinen Augen ansiehst, möchte ich das tun …
Jack konnte nicht wissen, wie viel ihr diese Worte bedeuteten. Jeder andere, der ihr in die Augen sah, glaubte, ihre verstorbene Mutter zu sehen – ihr Vater, ihre Brüder, Martha, sogar Lady Cahill.
Aber Jack sah nur sie, Kate. Und nur bei Jack bewirkten ihre Augen, dass er sie küssen wollte. Und als er sie umarmte und küsste, hatte sie alles gegeben, was sie war und sein konnte …
Und er hatte ihr seine Meinung brutal ins Gesicht gesagt.
Es schmerzte unerträglich. Sie war am Boden zerstört.
10. KAPITEL
Am Morgen darauf stand Kate zeitig auf und ging hinunter in die Küche, um wie immer das Frühstück zu machen. In der Nacht hatte sie eine Reihe von Entschlüssen gefasst. Sie hatte sich mit Jack zu viel Freiheit herausgenommen und hätte nie zulassen dürfen, dass sie Gefühle für ihn entwickelte. Sie hatte in einer Traumwelt gelebt, und das musste ein Ende haben.
Nie wieder würde sie es zulassen, dass jemand ihre Gefühle in Aufruhr brachte. In Zukunft würde sie wieder Eiswände um sich aufrichten wie in Lissabon. Sie hatte nicht verhindert, dass Jack sie zum Schmelzen brachte, doch diesmal würden die Wände stärker sein.
Kate, die eben Kaffee kochen wollte, hielt inne, als sie seine Schritte näher kommen hörte. Die Tür ging auf, es folgte anhaltendes Schweigen. Sie spürte, wie Jacks Blicke sich gleichsam in sie bohrten. Mit einem tiefen Atemzug drehte sie sich zu ihm um.
“Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Miss Farleigh”, sagte Jack. “Ich hätte diese Dinge nicht sagen sollen. Es war nicht so gemeint. Außerdem habe ich mich Ihnen ungehörig aufgezwungen.” Kate blinzelte. Verdammter Kerl! Er war völlig aufrichtig. Schon spürte sie, wie das Eis um sie schmolz.
“Ich bitte nicht um Vergebung”, fuhr er fort, “doch hoffe ich aufrichtig, dass Sie meine Entschuldigung annehmen. Es wird auch nie wieder vorkommen.”
Kate spürte ein Würgen in der Kehle. “Mr. Carstairs, es war nicht Ihre alleinige Schuld. Es geht mich wirklich nichts an, ob Sie trinken oder nicht.” Ihre Stimme wurde rau. “Meine Einmischung war unangebracht, deshalb habe ich mir alles selbst zuzuschreiben.”
O Gott, dachte sie, warum habe ich das getan? Sie hatte sich nicht entschuldigen wollen. Es hätte ihr gleichgültig sein sollen, was er dachte, sagte oder tat. Was war in sie gefahren? “Ich habe auch schlimme Dinge gesagt, die nicht so gemeint waren …”
Sie hielt stockend inne. Ein langer Augenblick voller Anspannung
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