Nur einen Kuss, Kate!
sagte Francis gedehnt. “Eines für mich und meinen Freund, das andere für meine … Schwester.”
Kate errötete unter dem Blick des Wirts, dem anzusehen war, dass er kein Wort glaubte.
Jack hatte den Wortwechsel gehört. “Meine Frau braucht heißes Wasser und eine Magd, die ihr hilft”, ordnete er an. “Ihre Zofe und unser Kutscher wurden letzte Nacht bei einem Unfall verletzt. Wir sind in Eile und möchten in vierzig Minuten frühstücken. Ach ja, für mich und meinen Freund auch heißes Wasser und dazu Rasierzeug.”
Der befehlsgewohnte Ton machte dem Wirt Beine. Sein zweideutiger Blick war größter Beflissenheit gewichen, als er sich beeilte, seine bessere Hälfte zu rufen, damit sie der jungen Dame zu Hilfe käme.
Kate zwinkerte. Seine Frau? Sie seufzte, Schwester oder Frau … einerlei … eine erfundene Geschichte, um ihren nicht existierenden guten Ruf zu retten. Wortlos folgte sie der Wirtsfrau nach oben.
Nach einem herzhaften, wenn auch nicht sehr fröhlichen Frühstück, bei dem nur Kate und Francis plauderten, während Jack kein Wort sagte, fuhren sie weiter. Meile um Meile zog unter betretenem Schweigen vorüber, bis die Gegend wieder vertraut aussah.
Kate setzte zu guter Letzt zum Sprechen an. “Sie hätten dem Wirt nicht vorzumachen brauchen, dass ich Ihre Frau bin. Es hätte genügt, mich als Francis' Schwester auszugeben.”
“Wo denken Sie hin!”
“Was soll das heißen?”
“Nun, nach letzter Nacht müssen Sie einen von uns heiraten, und da Sie in meinen Armen schliefen, könnten Sie gleich mich nehmen”, knurrte er ungalant. O Gott, dachte er. Ich habe es verpatzt. So wollte ich es nicht sagen. Was für ein Idiot ich doch bin!
Kate erbleichte. Deshalb also war er so ungehalten. Nicht sein Bein oder ihr angeblicher Flirt mit Francis machten ihm zu schaffen. Er glaubte, sie habe ihn in die Ehefalle gelockt.
“Ich sehe keinen Grund zur Heirat. Schließlich ist nichts passiert”, wandte sie ein.
Unter seinem wütenden Blick schlug sie die Augen nieder. Was hatte dieser Blick zu bedeuten? Er hatte sie zuvor schon geküsst und sich zu keinem Antrag bemüßigt gefühlt.
Jack juckte es in den Fingern, sie zu packen und tüchtig zu schütteln. Es war nichts passiert? Wie konnte sie ihn so belügen? Er glaubte noch immer, ihre Küsse auf seiner nackten Haut zu spüren.
“Die Tatsache bleibt, dass Sie von einem Mann entführt wurden und dann die Nacht in Gesellschaft zweier anderer Männer verbrachten. Sie haben keine andere Wahl. Wenn Ihnen eine Ehe mit mir widerstrebt, wird sicher Francis einspringen. Er ist ohnehin die bessere Partie.” Er sagte es mit bitterem Sarkasmus.
“Es liegt kein Grund vor, so garstig zu reden”, sagte sie mit ruhiger Würde. “Und es besteht kein Grund, überhaupt zu heiraten.”
“Was Sie wollen oder nicht, spielt keine Rolle mehr”, sagte er tonlos. “Ihr Ruf ist dahin, Sie müssen einen von uns heiraten. Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich, wie es in der Welt zugeht.”
“Ach was, gar nichts wissen Sie!”, empörte sie sich. “Mein Ruf kann nicht zerstört werden.”
Er schnaubte ungläubig.
“Man kann nicht etwas zerstören, das schon seit Monaten dahin ist”, fuhr sie ihn an. “Glauben Sie mir, Mr. Carstairs, mein Ruf wurde lange zuvor zerstört.”
“Machen Sie sich nicht lächerlich. Meine Großmutter sorgte dafür, dass wir nie ohne Anstandsdame waren.”
Kate tat seinen Einwand mit einer Geste ab. “Der Schaden geschah, lange ehe ich Ihre Großmutter traf.” Ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr.
Ihr war sterbensübel. Sie hatte gehofft, diese Geschichte nie wieder im Leben erzählen zu müssen, und nun musste sie sie ausgerechnet vor Jack preisgeben, doch durfte er sich nicht ihrem nicht vorhandenen guten Ruf zuliebe opfern. Er musste sich mit einem Mädchen ohne dunkle Schatten in der Vergangenheit verheiraten, mit einem, das auch Vermögen mitbrachte.
Da seine angeborene Ritterlichkeit ihn nun zwang, ihr den Schutz seines Namens zu bieten, wäre es feige gewesen, wenn sie das Unvermeidliche hinausgezögert hätte.
“Ich will es erklären, aber zuvor möchte ich Sie bitten, mich nicht zu unterbrechen. Es fällt mir sehr schwer, Ihnen alles zu sagen, aber ich habe keine andere Wahl. Also, versprechen Sie es?”
Von einer bösen Vorahnung erfasst, starrte Jack sie an. “Und wenn ich es nicht tue?”
Kate sah ihn verzweifelt an. “Nun, dann muss ich es Ihnen trotzdem sagen, doch wird es viel schmerzlicher
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