Nur Engel fliegen hoeher
und schiebt es an einem Zipfel in die Tasche seiner Jeans.
»Nicht so. In die Unterwäsche. In den Genitalbereich.«
Jonas wirkt noch unsicherer.
»Mein Gott, seien Sie nicht so schwer von Begriff. Runter den Lappen. Bis an den Sack!«
Jonas führt den Befehl aus.
Dann fädelt der Mann das Tonband von der einen Spule am Tonkopf vorbei zur anderen. Dabei blickt er Jonas scharf an. »Jetzt dürfen Sie noch nichts sagen!« Als er die Aufnahmetaste gedrückt hat und beide Spulen sich drehen, nickt er zufrieden. »So, jetzt kann's losgehen.«
Er nimmt ein beschriebenes Blatt Papier auf und sagt: »Sie also sind Johannes Maler, Rufname Jonas, 29 Jahre alt, wohnhaft in Rostock, Journalist und Fotograf bei der sozialistischen Blockpresse, Mitglied der CDU. Stimmt das?«
»Ja.«
»Sie sind verheiratet, haben eine Tochter.«
»Wo bin ich hier? Warum halten Sie mich fest?«
»Sie sind hier beim Ministerium für Staatssicherheit, Kreisdienststelle Greifswald. Warum Sie hier sind, das müssen Sie sich zuerst selbst fragen.«
»Ich habe nichts verbrochen.«
»Überlegen Sie einmal genau, warum Sie die Aufmerksamkeit unserer Sicherheitsorgane auf sich gelenkt haben.«
»Ich bin unschuldig.«
»Woher kennen Sie Juliane McCandle, Staatsbürgerin der USA?«
»Ich habe sie heute am späten Nachmittag an der Fernverkehrsstraße von Berlin nach Greifswald kennengelernt. Sie winkte, weil sie keinen Sprit mehr hatte.«
»Bevor Sie sich weiter irgendwelche Märchen ausdenken, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie in Verwahrung des Ministeriums für Staatssicherheit sind. Wir - und niemand anders! - entscheiden, wann Sie hier wieder rauskommen.« Demonstrativ knöpft der Offizier sein weißes Hemd auf, löst das Schulterholster unter seiner Achsel, legt es mit der Waffe auf den Schreibtisch und räkelt sich entspannt. »Ja, das liegt alles in unseren Händen.«
»Wir waren vielleicht eine Stunde spazieren. Im Park in Greifswald-Eldena. Das war alles.«
»Meinen Sie? Sie lernen sich angeblich zufällig kennen, und schon nach einer Stunde sieht man Sie umschlungen wie ein Liebespaar?«
»Ich habe nichts verbrochen.«
»Junger Mann, ich will ja gar nicht ins Spiel bringen, was Ihre Ehefrau oder Ihr Betriebsleiter zu dem Vorfall sagen würden. Ich möchte Ihnen jetzt einfach mal ein paar Titel aus unserem sozialistischen Strafgesetzbuch vorlesen: Beihilfe zum Verstoß gegen das Transitabkommen, illegale Kontaktaufnahme zu feindlichen Mächten, konspirative Treffen und Nachrichtenübermittlung, Agententätigkeit. Das dürfte in Ihrem Falle reichen, dass Sie Ihre achtjährige Tochter frühestens zu ihrer Jugendweihe wiedersehen.«
»Ich bin doch kein Spion!«
»Ich möchte von Ihnen wissen, was Sie mit der USA-Bürgerin getan und besprochen haben.«
»Wir waren in Greifswald-Eldena spazieren und haben über Caspar David Friedrich gesprochen.«
»Wer ist das?« Der Offizier notiert den Namen.
»Ein Romantiker.«
»Wollen Sie mich verarschen?«
»Ein Maler aus der Epoche der Romantik. Er hat die Ruine von Eldena gemalt.«
Der Stasi-Mann fängt an, mit seinem rechten Zeigefinger auf der Waffe in der Pistolentasche herumzutippen. Plötzlich stützt er sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und erhebt sich.
»Junger Mann, ich empfehle Ihnen dringend, mit den Sicherheitsorganen der Deutschen Demokratischen Republik nicht Katz und Maus zu spielen. Ich fürchte, dass Sie die Ernsthaftigkeit der Lage, damit meine ich Ihre Person, nicht erkannt haben. Holen Sie das Tuch raus!«
»Wie bitte?«
»Na, das Tuch, mit dem Sie Ihre Eier wärmen.«
Jonas zieht das Tuch aus der Unterhose und legt es vor sich auf den Schreibtisch.
Der Offizier nimmt aus seiner Schreibtischschublade ein Einweckglas mit zwei Schnappverschlüssen. Mit der Pinzette legt er das Tuch hinein, verschließt das Glas und stellt es vor sich hin.
»Abführen!«
Sie bringen Jonas in den Gefängnistrakt zurück. Dort wird er in eine Zelle von ähnlicher Größe wie die erste geführt. Darin gibt es eine eiserne Pritsche sowie eine WC-Schüssel ohne Brille und Deckel. Er wird aufgefordert, stehen zu bleiben. Minuten später erscheinen zwei Wachmänner und eine junge Frau im Arztkittel.
»Haben Sie irgendwelche chronischen Erkrankungen oder andere gesundheitlichen Probleme?«
»Nein.«
»Sind Sie Diabetiker oder Dialyse-Patient?«
»Nein.«
»Brauchen Sie Medikamente, die Sie regelmäßig einnehmen müssen?«
»Nein.«
Daraufhin reicht ihm einer der
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