Nur Gutes
begannen, tief und vertraut, ein Summen, ein Singen, das mich schläfrig machte.
Mein Vater hatte falsch gerechnet.
Bei der Abfahrt vom Kurweg zum Weinbergplatz ging seinem Opel das Benzin aus, der Motor stotterte, erstarb,die Bremsen verloren Kraft, und je schwächer sie wurden, desto heftiger trat mein Vater das Pedal, drückte und stieß. Schließlich, als der Wagen bereits rutschte, zog er die Handbremse, das Dümmste, der Opel geriet ins Schleudern und wurde zum Schlitten, der Opel, halb Lieferwagen, halb Personenwagen, war nicht zu halten, er brach durch ein Geländer, fast unerklärlich, und stürzte von der Europabrücke, sechs Meter tief, neunzehn Minuten vor neun Uhr.
Ihre Leichen sah ich mir nicht an.
Auf dem Boden des Opels, hinten, fand die Polizei eine wollene Mütze, rot, durchsetzt mit silbernen Fäden, die glitzerten und gleißten, weil es geschneit hatte.
Am Montag, zwölfter Zwölfter, ging ich nicht zur Arbeit, ich fuhr nach Aberwald in die Wohnung meiner Eltern, Grundstraße neun.
Im Badezimmer brannte Licht, es roch nach Seife oder Shampoo, vielleicht Kamille, und hinter dem Spiegel, noch sichtbar, steckte ein Stück Papier, mehrfach gefaltet, Toilettenpapier. Ein Foto war in das Papier geschlagen, nicht größer als eine Kinderhand, ein Mädchen darauf, blond und hell, dreizehn, vierzehn Jahre alt, ein lachendes Mädchen, schwerelos.
Ich lehnte mich ans Spülbecken und sah das Foto lange an, ich merkte, ich begann zu zittern, zuerst meine Hände, dann die Knie, mein Mund.
Neben dem Mädchen stand Paul Baumer, Annas Vater.
In brüchiger Schrift, mit Lidstift, war auf das Papier geschrieben: Simon! Endlich ein Brief. Heute Morgen stand ich vor der Wahl. Ich entschied mich für Franca. Unser Kind. Ännchen B.
Im Kühlschrank, sorgsam in mattes Aluminium gepackt, lag der Braten.
Bis dahin hatte ich nicht geweint.
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