Nur wenn du mich hältst (German Edition)
nicht? Wieso sollte es dem Rest der Welt anders gehen als ihr? Sie fragte sich, wie sein Leben inzwischen aussah. Hatten er und Yolanda ein Haus in La Rochelle oder gar Larchmont gefunden? Hatte die zweijährige Bewährungsfrist schon angefangen? Hatte AJ endlich die Familie, von der er geträumt hatte?
Sie schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf die Sendung. Bo sah aus, als wäre er dafür geboren, diesen Sport auszuüben. Die Eleganz seines Wurfs inspirierte den Kommentator zu der Bemerkung, das sei pure Poesie. Es war so schön, ihm beim Baseballspielen zuzusehen, wie einem Tänzer beim Tanzen zuzuschauen. Bei seinem Anblick setzte ihr Herz einen Schlag aus.
Zum Ende des Berichts gab es eine kurze Sequenz aus dem Klubhaus. Kim konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als Bo einen Satz sagte, der direkt aus ihrem Drehbuch hätte stammen können: „Ich habe hier eine Aufgabe – und zwar dafür zu sorgen, dass die Mannschaft eine Chance hat, zu gewinnen. Heute habe ich diese Aufgabe erfüllt.“ Er klang vor der Kamera so echt und natürlich wie im richtigen Leben auch.
„Sie wirken auf dem Abschlagplatz ganz schön Furcht einflößend. Kommt daher der Spitzname Iceman?“, fragte der Reporter.
„Ich versuche nicht, furchterregend auszusehen. Ich tue nur meine Arbeit.“
„Wie steht es mit Ihrem Privatleben? Frau? Freundin? Familie …“
Bo zeigte sein typisches Lächeln, das, wie sie ihm einmal erklärt hatte, ihn nie im Stich lassen würde, solange er zuließ, dass es seine Augen erreichte. „Mein Freund, es gibt einen Grund, warum es Privatleben heißt. Und danke, dass Sie heute hier rausgekommen sind. Wir sehen uns im Stadion wieder.“ Damit hatte er das Interview effektiv beendet, ohne unhöflich zu wirken.
Wenigstens wusste sie jetzt, dass es ihm gut ging. Als sie damals L.A. verlassen hatte, waren ihre Ideale tief verschüttet gewesen. Sie hatte zum Wohle ihrer Klienten gelernt zu lügen und zu vertuschen. Das Erfrischende an Bo war, dass er ehrlich war und eine gute Geschichte hatte. Sie war stolz darauf, ihm geholfen zu haben, sie in Form zu bringen, und versuchte, eine gewisse Befriedigung zu empfinden, doch das wollte ihr nicht recht gelingen.
Kim griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Es war an der Zeit aufzuhören, sich selbst zu belügen. Es ging ihr nicht gut. Nicht einmal ansatzweise.
Der Morgen der Hochzeit dämmerte kühl und stürmisch heran, und doch lag in der Luft bereits das süße Versprechen von Frühling. Die Torte von der Sky River Bakery war gerade geliefert worden. Kim stand allein in der Küche und bewunderte den bunten Fondant-Guss, der auf seltsame Art mit dem Farbschema des Hauses korrespondierte.
Sie machte sich eine Tasse Tee und hoffte, der Tag würde warm genug werden, damit sie das Partykleid anziehen konnte, das sie sich für diesen Anlass ausgesucht hatte. Über allem lagen die Geräusche der anderen Bewohner, die sich für den großen Tag fertigmachten. Die gemieteten Tische und Stühle waren bereits aufgestellt worden, Freunde und Nachbarn brachten die Gerichte für das Buffet. Bos ehemalige Band, die nun einen neuen Bassisten namens Brandi hatte, sollte für die musikalische Unterhaltung sorgen.
Und schon kreisten ihre Gedanken wieder um Bo Crutcher. Vielleicht würde es eines Tages eine Zeit geben, in der sie nach dem Aufwachen nicht sofort an ihn dachte, aber noch war es definitiv nicht so weit.
Sie hörte eine Autotür zufallen und schaute auf die Uhr. Eine weitere Lieferung?
Die Küchentür wurde aufgerissen, und ein Wirbelwind stürmte herein. Kim ließ den Becher in die Spüle fallen. „Was tust du denn hier?“, fragte sie, während ihr schon die Tränen in die Augen stiegen.
„Überraschung!“ AJ grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich wette, mit mir hast du nicht gerechnet.“
Sie flog förmlich durch die Küche und zog ihn in ihre Arme. Er fühlte sich so viel kräftiger an als noch vor wenigen Wochen. Sie liebte seinen jungenhaften Geruch nach frisch gemähtem Gras. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Mehr, als sie erwartet hatte. Mehr, als … Sie trat zurück. Er sah aus wie ein anderes Kind. Größer, stärker, lebhafter und selbstbewusster. In seinen Augen funkelte ein Licht, das sie dort nie zuvor gesehen hatte. „Ich kann es nicht glauben. Wie kommst du hierher?“
„Wir sind nach Avalon gezogen, um hier zu leben“, sagte er. „Meine Mom und ich – es
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