Nur wenn du mich hältst (German Edition)
Sichel war für Kronos ein ziemlicher Bumerang, denn als das Blut seines Vaters ins Meer geflossen war, wurden daraus die Titanen geboren, und jeder wusste, dass man sich mit denen besser nicht anlegte.
Vielleicht sollte er sich auch lieber nicht mit Bo anlegen, denn ob Fremder oder nicht, Bo war das Einzige, was zwischen ihm und einem Pflegeheim stand. Er war der Einzige, der eine Anwältin bezahlen konnte, und der Einzige, dem daran gelegen schien, seine Mom zurückzuholen.
„Ich wollte nicht, dass du auf diese Weise von dem Trainingscamp erfährst“, sagte Bo. „Ich wollte es dir selbst sagen, ohne eine Handvoll Zuhörer.“
„Ist mir egal. Ich meine, Glückwunsch und so, aber es ist mir egal, dass ich es mit allen anderen zusammen erfahren habe.“ Bo sollte ihm keinen Sonderstatus verleihen. Was ihn betraf, so waren sie nicht mehr als zwei Leute, die sich zufällig ein Zimmer teilten. Er betrachtete eine Zeichnung von Kronos, der einen ziemlich finsteren Titanen namens Zyklop niederstarrte.
Ein paar Minuten lang schwieg Bo. AJ tat so, als würde er lesen, aber die Wörter verschwammen vor seinen Augen.
Der Stuhl ihm gegenüber atmete aus, als Bo sich auf das Lederkissen setzte.
„Klar ist das Mist, was deiner Mom passiert ist“, sagte er.
Ach was, erzähl mir etwas, das ich nicht schon weiß, dachte AJ.
„Und was es vermutlich noch schlimmer macht, ist, wenn alle über meine guten Neuigkeiten reden.“
„Warum sollte es das schlimmer machen?“
„Ich nehme an, das Letzte, was du hören willst, sind die guten Nachrichten anderer Leute.“
Endlich löste er den Blick vom Buch und hob den Kopf. Er hatte nicht erwartet, dass Bo ihn verstehen würde. „Ist ’ne coole Sache“, sagte er tonlos. „Das mit den Yankees, meine ich.“
„Nett, dass du das sagst, aber wir müssen über dich reden.“
AJ hörte auf, so zu tun, als würde ihn das Buch interessieren. „Dann rede über mich.“
„Es sieht so aus, als wenn du länger bei mir bleiben musst, als wir dachten. Laut Sophie kann deine Mutter frühestens in sechs Wochen mit einer Anhörung rechnen.“
Sein Magen zog sich zusammen, und er wünschte, er hätte nicht so viele Spaghetti zum Abendbrot gegessen. Sechs Wochen. Anderthalb Monate. Und das war nur die Zeit bis zur Anhörung. Wer wusste, was danach noch alles passieren würde?
„Wie auch immer, Mrs V hat nichts dagegen, uns hier so lange wohnen zu lassen, wie wir wollen, das ist also schon mal schön“, fuhr Bo fort. „Aber da ist eine Sache …“
Der Klumpen in seinem Magen wurde größer. „Was? Sag es einfach.“
„Ich muss dir das erklären, was Dino vorhin erwähnt hat. Ihm war nicht klar, dass wir bisher noch nicht über das Förderprogramm gesprochen haben. Sie trainieren neue Spieler darin, mit der Presse umzugehen, mit den Herstellern von Sportartikeln, den Fans und so weiter. In der Major League geht es nicht mehr nur um Baseball. Es ist, als würde man einen ganz neuen Beruf erlernen. Die Sache ist nur, ich soll schon übernächste Woche da hin.“
AJ saß da, schwelend, wütend, gefangen. „Und?“
„Und nun haben wir ein Problem. Ich bin für dich verantwortlich. Ich kann nicht einfach abhauen.“
AJ konnte nicht widerstehen. „Warum nicht? Das hast du doch mein ganzes Leben lang gemacht.“
„Hey …“
„Du kannst ruhig gehen.“ Er stand auf und stellte das Buch mit entschlossener Geste zurück ins Regal. „Ich komme schon klar.“ Zu seiner Erleichterung versuchte Bo nicht, ihn aufzuhalten, als er aus dem Raum stakste.
Den Kopf gesenkt, nahm er immer zwei Stufen auf einmal und wäre auf der Treppe beinahe mit Kim zusammengestoßen. „Sorry“, murmelte er.
„Nichts passiert. AJ, du siehst traurig aus.“
Er war erstaunt über das, was er sah. Ihr Blick war weich, und darin lagen Freundlichkeit und Verständnis. Noch mehr erstaunte ihn, dass er sich sagen hörte: „Ach, es ist cool und alles, dass Bo zu den Yankees geht, aber ich muss nächsten Montag in die Schule hier, und das ist überhaupt nicht cool.“ Er hatte immer noch keine beglaubigte Geburtsurkunde, doch Bo hatte über den Kopf der Sekretärin hinweg mit irgendjemand anderem gesprochen und denjenigen überredet, ihn vorläufig einzuschreiben.
„Das tut mir leid.“
Die meisten Erwachsenen hätten ihm vermutlich aufzuzählen versucht, warum die Schule toll war, doch Kim nicht. Sie sagte: „Ich habe die Schule immer gehasst. Wie steht’s mit dir?“
Er zuckte mit den
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