Nur Wenn Du Mich Liebst
unterstützt. Erst nachdem seine Praxis eingerichtet war und florierte, hatte sie beschlossen, an die Universität zurückzukehren, um ihr Studium abzuschließen. Ihr Mann hätte diese Entscheidung sehr unterstützt, erklärte sie den anderen Frauen, und ihre Mutter half, indem sie tagsüber auf Ariel aufpasste.
»Du hast Glück«, sagte Chris. »Meine Mutter lebt in Kalifornien.«
»Meine Mutter ist kurz nach Traceys Geburt gestorben«, sagte Barbara, und Tränen schossen ihr in die Augen.
»Ich habe meine Mutter nicht mehr gesehen, seit ich vier war«, verkündete Vicki. »Sie ist mit dem Geschäftspartner meines Vaters durchgebrannt. Seither habe ich nichts mehr von dem Miststück gehört.«
Und dann herrschte Schweigen wie so oft nach einer von Vickis kalkulierten Provokationen.
Susan blickte auf die Uhr, und die anderen folgten ihrem Beispiel. Eine von ihnen meinte, dass es spät geworden sei und man sich wohl besser auf den Heimweg machen solle. Wir beschlossen, den Nachmittag mit einer abschließenden Gruppenaufnahme festzuhalten, stellten die Kamera auf der anderen Seite des Raumes auf einen Stapel Bücher und arrangierten uns und unsere Töchter so, dass alle im Bild waren.
Und da sind wir, meine Damen und Herren.
Auf der einen Seite Susan in Jeans und einem schlabberigen, weiten Hemd, auf dem Schoß ihre Tochter Ariel, deren drahtiger Körper einen deutlichen Kontrast zu der gemütlichen Fülligkeit ihrer Mutter bildet.
Auf der anderen Seite Vicki in weißen Shorts und einem gepunkteten, rückenfreien Oberteil, die versucht, die Arme ihrer Tochter Kirsten von ihrem Hals zu lösen, während sie, eine stumme unanständige Bemerkung auf den Lippen, mit mutwillig blitzenden Augen direkt in die Linse der Kamera blickt.
Dazwischen Barbara und Chris; Chris, in einer weißen Hose und einem rotweiß gestreiften T-Shirt, die versucht, ihre Tochter davon abzuhalten, sie wieder zu verlassen, während Tracey brav auf dem berockten Schoß ihrer Mutter sitzt, die ihre kleine Hand hebt und senkt, sodass Mutter und Tochter wie eine Person wirken.
Die Grandes Dames.
Freundinnen fürs Leben.
Dabei sollte sich herausstellen, dass eine von uns gar keine Freundin war, aber das wussten wir damals noch nicht.
Genauso wenig wie eine von uns hätte vorhersagen können, dass zwei von uns dreiundzwanzig Jahre später tot sein würden, eine auf grausame Weise ermordet.
Damit bleibe nur noch ich.
Ich drücke auf einen anderen Knopf, höre, wie das Band zurückgespult wird, und rutsche erwartungsvoll auf meinem Stuhl hin und her, während ich darauf warte, dass der Film erneut startet. Vielleicht, denke ich, als die Frauen plötzlich wieder auf dem Bildschirm erscheinen, ihre Töchter auf dem Schoß, die Zukunft im Gesicht, wird diesmal alles einen Sinn ergeben, und ich werde die Gerechtigkeit finden, die ich suche, den Frieden, nach dem ich mich sehne, die Erklärung, die mir fehlt.
Ich höre das Lachen der Frauen, und die Geschichte beginnt.
ERSTER TEIL
1982–1985
Chris
1
Chris lag mit geschlossenen Augen in ihrem Messingbett, von den Zehen bis zum Kinn fest in das steife weiße Baumwolllaken gewickelt, die Arme wie gefesselt starr an ihren Körper gepresst. Sie stellte sich vor, sie wäre eine ägyptische Mumie, die einbalsamiert in einer antiken Pyramide lag, während Horden neugieriger Touristen in schmutzigen, ausgelatschten Sandalen über ihrem Kopf hin und her wanderten. Das würde zumindest meine Kopfschmerzen erklären, dachte sie und hätte beinahe gelacht, wenn da nicht das Pochen in ihren Schläfen gewesen wäre, das wie ein Echo ihres dumpfen Herzschlags klang. Wann hatte sie sich zum letzten Mal so ängstlich und verloren gefühlt?
Nein, Angst war ein zu starkes Wort, verbesserte sich Chris sofort, ihre Gedanken zensierend, noch bevor sie ganz ausformuliert waren. Es war keine Angst, die sie lähmte, sondern ein vages, beunruhigendes Unbehagen, das wie ein vergifteter Strom durch ihren Körper sickerte. Diese unbestimmte, vielleicht sogar undefinierbare Befindlichkeit war es, die sie die Augen fest geschlossen halten und die Arme starr an ihren Körper drücken ließ, als wäre sie im Schlaf gestorben.
Spürten Tote dieses eindringende, alles
durchdringende
Gefühl des Unbehagens, fragte sie sich, bevor sie ihrer morbiden Gedanken überdrüssig wurde und die Geräusche des Morgens in ihren Kopf sickern ließ: Unten im Flur sang ihre sechsjährige Tochter Montana, der dreijährige Wyatt spielte mit
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