Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
Vom Netzwerk:
die Stelle, an der Nuramon und Daoramu entschwunden waren. Nerimee strich ihm durchs Haar und hoffte, dass ihn das Verschwinden seiner Großmutter nicht zu schwer treffen würde. Trotz der Hoffnung, die in ihr erwacht war, und der Gewissheit, dass ihre Eltern nun nichts mehr trennen konnte, war es ihr unmöglich, die Tränen zurückzuhalten.
    Nach einer Weile brach Borugar das Schweigen. »Genau danach haben sie sich gesehnt«, sagte er und drückte Jaswyra an sich.
    »Dass sie keinen Tag mehr getrennt sind«, sagte Nerimee und nickte. »Wir alle dürfen nun trauern, denn wir haben viel verloren. Aber ehe der Abend kommt, werden wir die Becher heben und auf sie trinken. Und wir werden erkennen, dass Daoramu nun genau dort ist, wo sie hingehört.« Sie schaute in das Geäst der Birkeneiche auf. »Was immer das Mondlicht auch bergen mag.«
    Das Letzte, was Nuramon in der Menschenwelt sah, waren die Gesichter seiner Vertrauten. Er hielt Daoramus Hand umfasst, als ihn das Licht umgab und hinforttragen wollte. Dann löste sie sich von ihm, und er schwebte an den Gesichtern vorüber, und alles verschwamm.
    Sein alter Körper war fort. Was er in den letzten Tagen immer wie der als magische Gestalt gespürt hatte, war nun alles, was ihm geblieben war. Er spürte Nerimees Sinne, die sich nach ihm ausstreckten, und die Macht von Ceren und Dareen, die noch lange nachstrahlte. Vor allem aber spürte er Daoramu. Wie ein gewaltiges Feuer brannte ihre Magie und schien kaum zu schrumpfen, je weiter er sich entfernte.
    Als er wieder erwachte, war er von Wasser umgeben. Er spürte weichen Boden unter den Füßen, stieß sich ab, tauchte auf und holte tief Luft. Er hatte einen Körper und fühlte sich so lebendig wie schon seit Tagen nicht mehr. Das milchige Wasser reichte ihm bis zu den Hüften, und er schaute über die kleinen Wellen, die er angestoßen hatte, in einen weißen Nebel. Er wandte sich um. Dort waren ein Strand aus blassem Sand, weiße Felswände, weiße Bäume, ein Höhleneingang, aus dem Blütenduft drang; und über ihm ein Himmel wie aus Marmor. Alles war blass, und sein Blick beinahe blind für diese Welt, in der er erwacht war.
    Neben ihm plätscherte es, und er wandte den Kopf. Noch jemand war angekommen. Braunes Haar schwamm unter der Oberfläche. Vielleicht war es jemand, den er aus Albenmark kannte. Eine Frau in einem roten Kleid tauchte aus dem Wasser auf.
    Es war Daoramu.
    Mit entsetzter Miene starrte sie voran, dann blickte sie zu ihm herüber und erstarrte. Sie strich sich ihr nasses Haar zurück, und schon war Nuramon bei ihr und schloss sie in die Arme. Sie lächelte, schaute an ihm hinab und küsste ihn. »Deshalb konnte ich kein Orakel werden«, sagte sie und lachte leise.
    Sie schauten in die Höhle hinein. An deren Ende strahlte grelles Licht. »Was uns dort wohl erwartet?«, fragte Daoramu.
    Nuramon schmunzelte. »Weißt du, was Ceren mir gestern antwortete, als ich sie fragte, wofür sie das Mondlicht hält?«
    Daoramu lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Sie sagte mit ihrer harmlosesten Stimme: Es ist vielleicht nur eine andere Welt. «
    »Nur eine andere Welt«, wiederholte Daoramu und fasste seine Hand. Gemeinsam schritten sie aus dem Wasser durch den Sand, der nicht mehr ganz so blass wirkte wie eben noch, hinein in die Höhle, dem Licht entgegen.

Der letzte Blick des Orakels

    Die Vergangenheit liegt nun offen, die Gelehrten haben sie meinem Munde folgend niedergeschrieben. Ihr lebt heute in der Welt, die damals in der Magie zu versinken drohte.
    Mit dem Erwachen der Geister blühte die Magie weiter, blieb jedoch immer im Gleichgewicht. Die Orakel suchten ihre Stätten auf, und auch ich, die das dreifache Erbe in mir trage, entspringe jener Zeit. Ebenso wie die Großkönige heute noch aus dem Haus der Yanna stammen. Denn die Chroniken sprechen die Wahrheit: Gaerigar war Nerimees Bruder und wurde als ihr Sohn wiedergeboren.
    Der alte Kontinent, den Yendred mit seinen Frauen bereiste, und der uns nun fremd geworden ist, erholte sich tatsächlich von der magischen Flut. Die Macht der Tjuredanbeter war gebrochen. Sie vermochten nicht mehr zu zaubern. Dort, wo die Ruinen von Firnstayn waren, klafft keine Wunde mehr. Durch das Tor gelangt man zu einer Insel im Nichts, die einst ein Teil von Albenmark gewesen war. Yendred, Lyasani und Salyra fanden die Stelle, an der der beseelte Baum Atta Aikhjarto gestanden hatte, und trafen dort auf das Orakel Blireena. Sie bereisten die Zwergenreiche, die ihren

Weitere Kostenlose Bücher