Nuramon
beeindruckt«, sagte Dareen und erklärte ihr, dass sie den Stein in ihrem alten Zuhause weit schlichter in den Berg eingelassen hatte. Sie erzählte von Nuramon und Daoramu. »Ich sah sie in meinen Visionen. Dich aber, Nerimee, sah ich nie. Deine Taten wurden immer von deinem Vater oder deiner Mutter vollbracht.«
»Heißt das, ich hätte nicht auf die Welt kommen sollen?«, fragte Nerimee.
Dareen lachte hell wie ein Kind. »Nein. Es bedeutet, dass du deinen Eltern so ähnlich bist, dass mein Blick fehlging. Ich hätte es wissen müssen, denn ich sah Widersprüchliches. Ich sah, dass Nuramon und Daoramu die Königskrone trugen, und dachte, sie würden sie nacheinander tragen. Aber jetzt weiß ich, dass du die Thronerbin bist. Du wirst den Thron besteigen, eine neue Liebe finden und lange leben. Du wirst die größte Magierin sein, die größte Königin. Nicht weil du Kriege gewinnst, sondern weil du sie im Keim zu ersticken weißt. Du wirst die Größe haben, deinem Sohn den Thron zu übergeben, wenn die Zeit reif ist. Deine Tochter aber wird ein dreifaches Erbe antreten.«
»Meine Tochter?«, fragte sie.
»Du wirst eine Tochter haben, und sie wird all das erben, was die Mutter einer Tochter geben kann. Doch sie wird auch Cerens Erbe tragen, und das meine auch. Deine Tochter wird ein Orakel aus Fleisch und Blut sein, verwurzelt in dieser Welt, mit einem Schicksalsblick, der weit in die Tiefe reicht. Sie wird die Erste in einer langen Ahnenreihe von Orakeln sein.«
Nerimee erinnerte sich an das, was ihre Mutter über die Begegnung mit den Orakeln in der Barinsteinhöhle erzählt hatte. »Aus Fleisch und Blut? Das bedeutet, dass die anderen Orakel sich geirrt haben. Nicht meine Mutter wird das Orakel aus Fleisch und Blut sein, sondern meine Tochter?«
»Sie sahen eine andere Zukunft. Deine Mutter könnte ein Orakel sein. Sie trägt einen besonderen Hauch der Magie. Eines Tages aber werde ich meine Macht deiner Tochter schenken, so wie du den Thron deinem Sohn geben wirst.«
Nerimee schüttelte den Kopf, dann lächelte sie. »Du weißt, was mein Name bedeutet?«
»Kleines Orakel«, sagte Dareen. »Es ist, als hätten deine Eltern etwas von deinem Erbe geahnt.«
Nerimee musste grinsen. »Oder ein gewisser Baumgeist hat es ihnen eingeflüstert.«
Nuramon genoss die Zeit, die ihm gegeben war. Ceren und Dareen waren sich einig, dass er am achten Tag ins Mondlicht gehen würde, und in dieser Zeit erschien es ihm, als altere er rückwärts. Mit jedem Tag fühlte er sich weniger alt und träge, die Feiern und Empfänge, die Borugar gab, überstand er ohne Schwierigkeiten. Er genoss es sogar, mit der Familie Gäste zu empfangen; besonders wenn er diese lange nicht gesehen hatte und nun erfuhr, was aus ihnen geworden war. Dass die Menschen sich wunderten, dass er sich an ihre Namen und Erzählungen erinnerte, brachte ihn noch immer zum Schmunzeln.
Am meisten aber genoss Nuramon die Zeit mit Daoramu, den Enkeln und der ganzen Familie. Die Abende, wenn sie alle gemeinsam in der Stube seiner Schwiegereltern waren, hätten nach seinem Empfinden ewig anhalten können, ebenso die Spaziergänge durch die Stadt und über die Wiesen auf den Westteil Jasbors und die Morgen in den Badegewölben unter dem Palast.
Am Nachmittag des dritten Tages ging er zur Garnison der Ilvaru, wo er mit Bjoremul, Nylma und Loramu vom Dach aus über den Südwesten der Insel aufs Meer hinausschaute. »So schwer hat es die Ilvaru noch nie getroffen«, sagte Loramu.
»Ja. Aber Yendred wird auch diese Wunden heilen«, sagte Nuramon. »Mit der Hilfe alter Freunde sollte das gelingen.«
Nylma schüttelte den Kopf. »Nein, Nuramon«, sagte sie. »Wir haben genug.«
»Ihr werdet das Schwert beiseitelegen?«, fragte er.
Bjoremul nickte und wies mit seinem Armstumpf auf Loramus magischen Fuß, der vor dem knapp unter dem Knie endenden Bein schwebte. »Wir haben auf dem Weg viel opfern müssen. Und nun ist es vorbei.«
»Was werdet ihr tun?«, fragte Nuramon.
»Borugar lässt mir das Haus in der Nordstadt«, sagte Bjoremul und grinste zufrieden. »Er versteht, dass ich das Herzogtum nicht zurückhaben will. Ich möchte zur Abwechslung mal keine Verantwortung für die Leben anderer tragen, sondern den Frieden genießen.«
»Das klingt gut«, sagte Nuramon und wandte sich an Loramu. »Und du?«
Die Strategin lachte. »Borugar meint, ich würde hier eine gute Stadträtin abgeben.«
»Du wärst eine hervorragende Rätin«, sagte Nuramon. »Du kennst
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