Nuramon
sehen.« Er lächelte. »Ich würde gern wissen, ob sie ihren Namensschwestern nacheifern.« Er schaute zwischen Lyasani und Salyra hin und her. Er beugte sich vor und umarmte seine Schwiegertöchter. Lyasani dankte ihm, dass er sie damals in Varlbyra gerettet und später zugelassen hatte, dass sich ihre Liebe entfaltete. Salyra dankte ihm ebenfalls dafür.
Als Yendred vor seinem Vater in die Hocke ging, kamen ihm die Tränen, doch er wischte sie nicht ab. Sie vermochten nicht einmal sein Lächeln fortzuwaschen. Er hörte sich das Lob an, das auch Nerimee ihrem Bruder oft zugesprochen hatte: dass dank ihm das Königreich noch bestand. »Du hast dich mehr als würdig erwiesen, das Schwert deiner elfischen Schwester zu tragen«, erklärte ihr Vater.
»Ich habe Gaomee nie wirklich als Schwester gesehen«, sagte Yendred.
»Weil sie für dich wie eine Riesin wirkte, als ich dir früher die Sagen von ihr und den Drachen erzählte. Aber inzwischen bist du zu ihr emporgewachsen.« Er schaute zu Lyasani und Salyra. »Von euch dreien wird man lange erzählen. Ihr werdet Nerimee den Thron sichern.« Er drückte Yendreds Hand. »Du mit dem Schwert der Gaomee.« Er schaute zu Lyasani auf. »Du mit dem Kriegsflegel deines Vaters. Und du, Salyra, mit meinem Schwert.« Loramu kam mit Nuramons Waffengurt. Salyra nahm ihn nur zögernd an und schaute immer wieder zu Nuramon zurück, als prüfte sie, ob er es ernst meinte. Dann zog sie das Schwert einen Handbreit aus der Scheide und fuhr mit dem Daumen über die schmale Klinge. »Ich kann es nicht annehmen.«
»Ich bitte dich darum«, sagte Nuramon. »Führe es, bewahre es, und reiche es eines Tages weiter. Vielleicht an Gaerigar, vielleicht an Obilee oder Yulivee.«
Salyra schob die Klinge zurück in die Scheide und hielt sich das Schwert an die Brust. »Dann werde ich es gut behüten«, sagte sie mit zittriger Stimme.
Nuramon schaute nun Nerimee und Gaerigar entgegen. Mit einem Blinzeln und sanften Lächeln sagte er alles, was zu sagen war, und legte Gaerigar die Hand um die Schulter. »Ich habe dir versprochen, dass du dabei sein darfst«, sagte er. Gaerigar kletterte neben ihn und legte seine Arme um ihn. Nuramon drückte ihn an sich und schaute Nerimee in die Augen. »Es tut mir leid, Gaerigar. Ich wollte nicht, dass es so endet. Aber im Mondlicht bin ich bei den Ahnen.«
»Wie mein Vater?«, fragte er.
»So wie dein Vater.«
»Ich werde dich vermissen«, sagte Gaerigar.
Nuramon küsste Nerimees Sohn die Stirn. »Ich werde dich auch vermissen. Wie ich dich bisher auch vermisst habe.« Da merkte Nerimee, dass dies nicht nur ein Abschied von ihrem Sohn war, sondern auch von der Seele ihres Bruders. »Es tut mir leid«, sagte Nuramon.
Gaerigar löste sich von ihrem Vater und schaute ihm in die Augen. »Dann kannst du mich sehen und über mich wachen.«
»Ich werde dir Mut machen, wenn du ihn brauchst«, sagte er. »Du darfst mich nur nicht vergessen.«
Als Nerimee ihren Vater noch einmal umarmt und ihm ein leises »Lebwohl« zugeflüstert hatte, schaute sie zu Gaerigar hinab. Ihr Sohn lächelte. Es schien, als wären all seine Fragen beantwortet, und nun, da er sich vorstellen konnte, dass Nuramon ins Jenseits ging und von dort über ihn wachte, schien er mit dem Abschied versöhnt zu sein.
Sie aber war es nicht. Das Ableben ihres Vaters würde ein Loch in die Familie reißen. Sie musste immer wieder an ihre Mutter denken und spürte, dass es weniger der Schmerz des Abschieds von ihrem Vater war, der sie aufwühlte, als die Gewissheit, dass ihr Vater im Mondlicht von ihrer Mutter getrennt sein würde. Sie kannte das Leid, für immer von ihren Geliebten getrennt zu sein, und sie wusste nicht, ob sie es ertragen würde, dieses Leid an ihrer Mutter zu sehen.
Die letzten Momente gehörten Nerimees Mutter. Sie setzte sich neben Nuramon zwischen die beiden Wurzeln, legte ihm die Hand auf die Brust und sagte: »Du hattest recht. Ein Augenblick kann wertvoller sein als Jahre, Jahrzehnte oder mehr noch. Und wir hatten viele Jahre voller wunderbarer Augenblicke.« Sie küsste ihn, und als sie ihre Lippen von ihm löste, waren seine Augen geschlossen. Nur langsam öffnete er sie wieder und schaute zu Dareen hinüber.
Das Orakel nickte.
Nuramon hielt Daoramus Hand und schaute umher. »Ich habe mich oft gefragt, wie dieser Augenblick sein würde. Aber ich vergaß, dass ich bereits einer Welt den Rücken kehrte. Ich kehrte nie wieder nach Albenmark zurück, und doch bin ich mir
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