Nuramon
schwand nun die Magie, die ihn erquickt hatte, rasch dahin.
Dareen machte Platz am Baumstamm, Ceren wies zwischen zwei große Wurzeln, wo einige Kissen lagen. »Terbarn hat das bringen lassen«, erklärte sie.
»Das war aufmerksam von ihm«, sagte Daoramu.
Sie halfen Nuramon zwischen die Wurzeln, und er setzte sich langsam zurück, wie in einen Thron, aus dessen Lehne der ganze Baum zu wachsen schien. »Ist es bald so weit?«, fragte Nerimee.
»Zwei Stunden, nicht länger«, sagte Dareen.
Nuramon starrte Daoramu an. »Bist du immer noch darauf vorbereitet?«
»Überhaupt nicht«, sagte sie und küsste Nuramons Hände.
»Ich hole die anderen«, sagte Ceren und verschwand.
»Nerimee«, sprach Nuramon zu ihr und griff nach ihrer Hand. Seine Finger waren kalt, und die Magie, die von ihm abstrahlte, war kaum noch als die seine zu erkennen. »Du wirst eine gute Königin sein. Deine Mutter und ich kamen her, damit du hier bei deiner Familie geboren wirst. Wir hatten Hoffnungen und Träume. Und in dir und Yendred ist alles erblüht, wofür wir gekämpft haben. Du hast schon so viel Last getragen, so viel Verantwortung übernommen, dass ich manchmal fürchtete, du würdest daran zerbrechen. Aber du hast durchgehalten, und ich bin mir sicher, dass in der Zukunft leichtere Lasten auf dich warten werden. Sosehr du den Thron auch fürchtest.«
»Ich fürchte ihn nicht mehr, Vater«, sagte sie. »Die Magie flaut ab, und ich kann die Last mit anderen teilen. Und ich hatte in dir, Mutter, Großvater, Großmutter und Ceren die besten Lehrmeister, die man sich wünschen kann.«
Nuramon nickte. »So habe ich es mir immer gewünscht.«
Nerimee kämpfte mit den Tränen. »Es ist zu früh für den Abschied«, sagte sie. »Ein wenig Zeit haben wir noch.«
Als wollte er ihr widersprechen, schaute er an ihr vorbei zu Nylma und Bjoremul, die sich ihnen an der Seite von Oregir und Sawagal näherten. Alle, die bei Nuramons Entschwinden dabei sein sollten, kamen nun einer nach dem anderen. Borugar nahte mit Jaswyra und Gaeria. Yendred führte Gaerigar herbei, während Lyasani und Salyra mit Yulivee und Obilee näher traten. Loramu kam mit Terbarn und Helgura mit den Ilvaru und den Palastwachen durch den Park.
Es herrschte eine gespenstische Stille. Niemand schien das Wort ergreifen zu wollen, denn zu reden hieß Abschied zu nehmen.
»Ich möchte jedem Einzelnen die Hand reichen«, sagte Nuramon.
Nerimee warf ihrer Mutter einen besorgten Blick zu. Zwei Stunden, hatte Dareen gesagt. Aber Daoramu nickte, und so durften die Bediensteten und die Krieger von ihm Abschied nehmen. Nuramon kannte jeden Namen und nannte eine Erinnerung, die sie verband. Und schon waren sie beeindruckt und machten dem Nächsten Platz. Für die Ilvaru nahm er sich ein wenig mehr Zeit. Jene, die mit ihnen auf den Himmelswiesen gewesen waren und viele Gefährten und sogar ihre Schwertgeschwister verloren hatten, erinnerte er an gute Zeiten, den anderen rief er Begebenheiten ins Gedächtnis, die bis an die Anfänge der Ilvaru zurückreichten.
Nachdem er Helgura und Terbarn für ihre treuen Dienste gedankt hatte, sprach er mit Gaeria und weckte Erinnerungen an ihre jüngeren Jahre. Mit Borugar und Jaswyra hingegen sprach er über jene erste Begegnung in Merelbyr. Mit Bjoremul rief er noch einmal den Kampf um Teredyr, seinen Herrn Varramil und Dorgal in Erinnerung, um dann mit Nylma von der Zeit mit Yargir und Waragir zu schwärmen. Als sie über Alvarudor sprachen, dankte er Oregir und Sawagal für ihre Loyalität.
Als Loramu vor ihn trat, küsste er sie auf die Wangen, fasste ihre Hände und lobte sie. Sie fiel ihm um den Hals und wollte ihn nicht mehr loslassen. »Das war die beste Zeit meines Lebens«, sagte sie. Dann erst löste sie sich von ihm. »Trotz allem«, setzte sie nach.
»Das stimmt«, sagte Nuramon und schaute zu Ceren hinüber. »Die Zeit hier war die kostbarste meines langen Lebens.« Dann beugte er sich vor und flüsterte Loramu etwas ins Ohr. Sie nickte und zog sich schief grinsend von ihm zurück.
Gaerigar kam an Nerimees Hand und schaute mit zweifelnden Augen zu ihr auf. Auch Lyasani und Salyra erhoben sich mit den Kindern an der Hand und kamen mit Yendred näher. Nuramon ließ die beiden Mädchen zu sich hochklettern, redete mit ihnen und entlockte ihnen Antworten und auch das eine oder andere Versprechen. Als Jaswyra die beiden Mädchen an die Hand nahm und zu Borugar führte, sagte Nuramon: »Es ist ein Verlust, sie nicht aufwachsen zu
Weitere Kostenlose Bücher