Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
ihrer Hand. „Muss ich Angst haben, dass du eine Waffe ziehst?“
Sie versuchte, das arrogante Grinsen zu erwidern „Hättest du das denn verdient?“
Seine Augen zuckten für einen Moment. Im Zwielicht konnte sie nicht mehr erkennen, als dass sie dunkel waren. Er neigte den Kopf leicht zur Seite. „Touché.“ Sein Lächeln wurde ehrlicher.
Verwirrt suchte Joana nach Worten. Mit einem Mal schien er die unheimliche Art abgelegt zu haben. Entweder hatte sie Gespenster gesehen, oder er spielte ihr etwas vor. Bis eben hatte sie ihn für Mitte dreißig gehalten, doch nun war sie nicht mehr sicher. Mit diesem sanften Gesichtsausdruck würde er auch als zehn Jahre jünger durchgehen.
„Bist du mir deshalb gefolgt?“, fragte er. „Weil ich es verdient habe?“
Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Hatte er gerade zugegeben, es verdient zu haben, mit einer Waffe bedroht zu werden?
„Nein.“ Sie musste sich räuspern. „Ich bin dir gefolgt, weil … weil da ein weiterer Mann war. Er ist dir nachgeschlichen. Ich wollte nur sehen, ob alles okay ist.“
Sie rechnete damit, dass er sie als dumm, leichtsinnig oder unvorsichtig schimpfen würde. Doch er murmelte: „Interessant“, und rieb sich das glattrasierte Kinn. Sein Blick bekam etwas Abschätzendes und glitt ihren Körper hinab. Sie fühlte sich begutachtet wie ein Stück Fleisch, dennoch straffte sie unweigerlich die Schultern und zog den Bauch ein. Er lachte leise. Ein Geräusch, das die Luft zu bewegen schien und auf ihrer Haut zu spüren war. „Selbstbewusst und ganz schön mutig. Das gefällt mir.“
Die Worte schmeichelten ihr nicht, sie mahnten zur Vorsicht. „Ich muss zurück zu meinem Taxi. Wenn ich in zwei Minuten keine Meldung gebe, schickt meine Zentrale die Polizei.“
„Und nicht unvernünftig.“ Offenbar hatte er beschlossen, eine Bestandsaufnahme aller Eigenschaften durchzuführen, die sie ihm vorgaukelte. „Schön, tu das. Und dann gehen wir etwas trinken.“
Nein, ganz sicher keine Gespenster. Unbehagen formte einen Kloß in ihrer Kehle. Das war keine Einladung. Keine Bitte. Nicht mal ein ungehobelter Flirtversuch. Es war eine Anweisung.
„Bitte? Was lässt dich denken, dass ich das möchte?“, erwiderte sie, sich bewusst, dass sie zu lange gezögert hatte. „Leider habe ich keine Zeit.“
Er machte einen Schritt vor und das Licht der Laterne erreichte seine Augen. Tiefes Blau, dunkles Grau und vereinzelte weiße Schaumkronen vermischten sich in ihnen. Wie das Meer bei einem Unwetter. Eiskalt. Er verengte die Augen und die Sturmfarben schienen düsterer zu werden. Gleichzeitig berührten seine Fingerspitzen ihren Unterarm und jagten einen elektrischen Impuls durch ihren Körper, der ihr die Knie weich werden ließ. Ob aus Furcht, Nervenkitzel oder einer völlig unangebrachten Erregung heraus, konnte sie nicht sagen. Es kribbelte in ihren Schläfen, in ihren Armbeugen und an sensibleren Stellen ihres Körpers.
„Ich möchte es“, sagte er schlicht. „Du hast Zeit.“
Sie spürte sich nicken, als wäre diese Reaktion nichts weiter als eine logische Konsequenz auf die Selbstverständlichkeit, mit der er sie gerade gewaltsam von sich eingenommen hatte.
Der Schatten in Nicholas’ Körper ächzte. Verdammt, diese Frau war eine harte Nuss. Er hatte alle Macht, die ihm in menschlicher Hülle zur Verfügung stand, aufbringen müssen, um nur eine einzige, banale Zusage zu erzwingen. Der verwirrte Ausdruck in ihren braunen Augen entlockte ihm fast ein Lachen. Er hatte seinen kleinen Köder doch wieder einmal an richtiger Stelle ausgeworfen. Frauen mit Mut waren leicht zu locken. Ein Augenaufschlag á la junger Hund und die Vision vom hilflosen Schönling, der vor dem Bösen gerettet werden muss. Es funktionierte immer wieder.
Er nickte ihr aufmunternd zu und sie gingen zu ihrem Taxi. Schon spürte er, wie sich erneuter Widerstand in ihr regte. Immer wieder strich sie sich nervös durchs Haar und entblößte damit kurz ihren Nacken. Eine Gänsehaut überzog die karamellbraune Haut und er stellte sich vor, wie sich diese unter seinen Lippen und seiner Zunge anfühlen würde. Nicht nur der Schatten hatte Gefallen an ihr gefunden. Vorfreude auf ihre Emotionen und auf ihren Körper brannte in seinen Lenden.
Oh ja, es würde eine echte Herausforderung darstellen, mehr von ihr zu bekommen. Ihr Geist verfügte über einen stahlharten Schutz, vielleicht einen der effektivsten, den er je bei einem Menschen erlebt hatte. Diese Härte
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