Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
versteckt hielt. Ließen ihn erstarken und gegen sein Gefängnis aus Fleisch und Blut aufbegehren. Doch er durfte sich nicht erlauben, seiner schützenden Maskerade zu entfliehen, sosehr sie ihn auch einengte. Außerhalb eines menschlichen Körpers war er für die Wenigen auffindbar, die ihm gefährlich werden konnten. Die Clerica.
Fordernd drängte er seinen Leib härter an den des Priesters. Die Art und Weise, mit welcher der Dämon sich nährte, erregte das Fleisch um ihn herum. Dieser sich spürbar verhärtende Umstand verursachte weitere Angst in seinem Opfer. Herrliche Angst.
„Weiche von mir, Luzifer“, jammerte der Priester, der Ohnmacht schon nahe. Er wurde schwer im Arm des Dämons.
„Luzifer nennst du mich?“ Nicholas lachte leise. „Solche Macht vermutest du in mir? Oh nein, es ehrt mich, aber dein Luzifer bin ich nicht.“
„Wer … wer bist du?“
Die Antwort sollte der Geistliche nicht mehr hören. Er brach bewusstlos zusammen. Zur Hölle, war das schnell gegangen. Besonders viel Spaß hatte er nicht geboten, dieser Schwächling. Nicht mal auf die Jungs der Kirche war heutzutage noch Verlass. Enttäuscht ließ Nicholas den Körper zwischen den Holzbänken zu Boden fallen, zog eine Schachtel Zigaretten aus der hinteren Hosentasche, schob sich eine zwischen die Lippen und ließ sein Zippo aufschnappen, um sie zu entzünden.
„Ich bin nur der Gaukler“, murmelte er, als wäre er seinem Opfer noch die Replik schuldig. „Sie nennen mich den Nybbas.“
Er verließ die Kirche schlendernden Schrittes. Am nächsten Morgen würde man den Priester finden. Ohne Erinnerung an den Dämon und vermutlich geistig verwirrt. Irrsinn oder Umnachtung hatte man es früher genannt. Heute hinterließ der Nybbas Nervenzusammenbrüche, Depressionen oder ein Burn-Out-Syndrom.
Nicht, dass es ihn interessiert hätte.
Zwei junge Männer kämpften sich durch einen dunklen Stollen. Schweigend drückten sie sich eng an den Wänden entlang, duckten sich unter Stalaktiten hindurch und drangen tiefer in den Berg ein. Im schwachen Schein ihrer Taschenlampen, die keine Schatten warfen, schimmerte der Sinter an den Höhlenwänden mal rötlich, dann wieder metallisch blau. Sie erreichten einen Schacht, der schräg in die Tiefe führte, und warfen sich verstohlene Blicke zu. Neugier und Nervenkitzel standen in ihren Gesichtern geschrieben, doch ihre Augen verrieten auch eine gewisse Furcht. Sie zwängten ihre Körper in die schmale Öffnung. Der Tunnel war eng, sodass sie nur robben konnten, viele Meter lang und voller scharfer Felskanten, die ihnen in die bloßen Hände schnitten. Sie schienen es nicht zu spüren. Immer weiter kämpften sie sich voran und hatten die Höhle am Ende des Schachtes schließlich erreicht.
Der Erste sank erschöpft auf den Boden nieder. Der Zweite, ein langer, schlanker Mann mit kurzem, braungelocktem Haar und ebenmäßigen Gesichtszügen, durchmaß mit dem Lichtkegel seiner Lampe das Innere der Höhle. Stalagnaten bildeten Gitter, schienen die Eindringlinge am Weitergehen hindern zu wollen. Dahinter stand eine verkorkte Tonflasche auf dem Boden. Der Braunhaarige streckte die Hand danach aus, berührte das Gefäß jedoch nicht. Seine Lippen bewegten sich, doch absolute Stille schien jedes Wort zu verschlingen.
Unvermittelt sprang der andere Mann auf die Füße und warf in der gleichen Bewegung einen Stein nach der Flasche, die darauf lautlos in tausend Scherben zersprang. Sodann sackte er in sich zusammen und ein gewaltiger dunkler Schatten blieb an seiner Stelle stehen. Blaues Licht leuchtete kurz um ihn herum auf.
Panische Angst erfüllte die Höhle, ließ sie erzittern und Steine von der Decke stürzen. Der Schacht nach draußen brach in sich zusammen. Der Braunhaarige konnte seinen am Boden liegenden Kameraden nur aus aufgerissenen Augen anstarren und darauf warten, dass er erschlagen wurde. Es blieb ihm noch genug Zeit, die Hände schützend über den Kopf zu heben, doch retten konnte ihn das nicht. Für einen Moment erschien eine zweite schattenhafte Gestalt, die an menschliche Umrisse mit dem Kopf einer Katze erinnerte. Dann brach die Decke ein und Finsternis verschluckte alles.
Joana erwachte von einem erstickten Laut aus ihrem eigenen Mund. Einen quälend langen Moment kämpfte sie gegen das Gefühl, nicht atmen zu können. Ihr Brustkorb war wie zugeschnürt. Um Luft ringend setzte sie sich auf und tastete mit hektischen Bewegungen nach ihrem Asthmaspray auf dem Nachttisch.
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