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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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nicht nur Achtung sich gegenüber, sondern auch Diensteifer und manchmal sogar Begabung sahen. Ilja Iljitsch brauchte sich vor seinem Chef nicht zu fürchten, da dieser ein gutmütiger Mensch mit angenehmen Manieren war; er hatte noch nie jemand Böses getan, die Beamten waren vollkommen zufrieden und wünschten sich nichts Besseres. Niemand hatte ihn jemals etwas Unangenehmes sagen, schreien oder lärmen gehört; er verlangte nie etwas, er bat immer. Er bat, eine Angelegenheit zu erledigen, er bat, man möchte ihn besuchen, er bat auch, man möchte sich verhaften lassen. Er duzte nie jemand, er sagte zu allen Sie, jedem einzelnen Beamten und allen zusammen. Doch alle seine Untergebenen wurden in seiner Anwesenheit befangen; sie beantworteten seinen freundlichen Blick nicht mit ihrer eigenen, sondern mit einer fremden Stimme, mit welcher sie sonst niemals sprachen. Auch Ilja Iljitsch wurde plötzlich befangen, ohne zu wissen, weshalb, wenn der Chef ins Zimmer trat, und auch er verlor seine eigene Stimme und bekam eine andere, dünne und häßliche, sobald der Chef ihn anredete.
    Ilja Iljitsch stand auch trotz des gutmütigen, nachsichtigen Chefs sehr viel Angst und Langeweile im Dienste aus. Gott weiß, was aus ihm geworden wäre, wenn er einen strengen und anspruchsvollen Vorgesetzten über sich gehabt hätte! Oblomow blieb mit Mühe und Not zwei Jahre lang im Amt; vielleicht würde er auch noch ein drittes ertragen haben, um zu einem höheren Rang zu kommen; aber ein besonderer Fall nötigte ihn, den Dienst früher zu verlassen. Er schickte eines Tages ein wichtiges Papier statt nach Astrachanj nach Archangelsk. Die Sache kam ans Licht; man begann nach dem Schuldigen zu suchen. Alle erwarteten neugierig, der Chef würde Oblomow kommen lassen und ihn ruhig und kühl fragen, ob er das Dokument nach Archangelsk fortgeschickt habe, und alle waren darauf gespannt, mit welcher Stimme Ilja Iljitsch ihm antworten würde. Einige meinten, er würde gar nicht antworten, die Stimme würde ihm versagen. Beim Anblick der anderen wurde Ilja Iljitsch selbst von Angst erfaßt, obwohl er zugleich mit allen anderen wußte, der Chef würde sich auf einen Verweis beschränken: doch sein eigenes Gewissen war viel strenger als die zu erwartende Rüge. Oblomow wartete die verdiente Strafe nicht ab, sondern ging nach Hause und schickte ein ärztliches Attest.
    Dieses Attest lautete: »Ich, der Gefertigte, bezeuge mit der Beidrückung meines Siegels, daß der Kollegiensekretär Ilja Oblomow mit Herzverfettung und der Erweiterung der linken Herzkammer behaftet ist (Hypertrophia cordis cum dilatatione ejus ventriculi sinistri) und außerdem ein chronisches Leberleiden hat (Chepatitis), das sich gefährlich zu entwickeln droht und sowohl die Gesundheit als auch das Leben des Kranken schädigen könnte; die darauf hinweisenden Anfälle werden wohl durch den täglichen Amtsdienst verursacht. Darum halte ich es, um diesen krankhaften Anfällen vorzubeugen und dieselben zu beschwichtigen, für notwendig, Herrn Oblomow den Dienst vorläufig zu verbieten und ihm überhaupt das Vermeiden jeder geistigen Arbeit und jeder Tätigkeit vorzuschreiben.«
    Doch das half nur für einige Zeit; er mußte ja einmal wieder gesund werden – und dann folgte wieder das tägliche Versehen seines Amtes. Oblomow konnte das nicht länger ertragen und suchte um seine Entlassung nach. So schloß seine amtliche Tätigkeit, um niemals wieder aufgenommen zu werden.
    Seine gesellschaftliche Laufbahn wollte ihm besser gelingen. In den ersten Jahren seines Aufenthaltes in Petersburg, in seiner ersten Jugend, belebten sich seine ruhigen Gesichtszüge häufiger, die Augen leuchteten lange vor Lebensfeuer, ihnen entströmten Strahlen von Licht, von Hoffnung und von Kraft. Er regte sich wie die anderen auf, hoffte, freute sich über jede Kleinigkeit und litt auch um einer jeden Kleinigkeit willen. Doch das war schon lange her, noch in jener zarten Periode, in welcher man in jedem Nebenmenschen einen aufrichtigen Freund sieht, sich fast in jede Frau verliebt und bereit ist, einer jeden Hand und Herz anzubieten, was manche auch ausführen, um dann das ganze übrige Leben darüber zu trauern. In diesen seligen Tagen fielen auch Ilja Iljitsch nicht wenig weiche, samtene, ja selbst leidenschaftliche Blicke aus den Augen der Schönen zu, außerdem sehr häufig ein vielversprechendes Lächeln, zwei, drei unprivilegierte Küsse und noch mehr freundschaftliche Händedrücke, die bis zu

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