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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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gibt dort keine giftigen Schlangen; die Heuschrecken fliegen nicht dorthin; es gibt dort weder brüllende Löwen noch Tiger und nicht einmal Bären und Wölfe, weil keine Wälder da sind. Auf den Feldern und im Dorfe irren nur zahlreiche kauende Kühe, blökende Schafe und glucksende Hühner umher.
    Gott weiß, ob ein Dichter oder Träumer sich mit der Art des friedlichen Winkels befreundet hätte. Diese Herren lieben es, wie bekannt, den Mond zu betrachten und den Trillern der Nachtigall zu lauschen. Sie lieben eine kokette Luna, die sich in rauchige Wolken kleidet, geheimnisvoll durch die Baumzweige schimmert oder silberne Strahlengarben in die Augen ihrer Anbeter schüttet. Und hierzulande wußte man nichts von einer Luna – alle nannten sie Mond. Er blickte die Dörfer und Felder gutmütig wie mit weit offenen Augen an und erinnerte sehr an einen gut geputzten Präsentierteller aus Messing.
    Vergeblich hätte der Dichter ihn mit verzückten Augen betrachtet; er würde den Dichter ebenso einfältig anblicken, wie eine rundwangige Dorfschöne die leidenschaftlichen, beredten Blicke des städtischen Hofmachers erwidert.
    Man hörte in dieser Gegend auch keine Nachtigallen, vielleicht weil es dort keine schattigen Lauben und keine Rosen gab; dafür gibt es dort eine Menge Wachteln! Im Sommer, bei der Ernte, fangen die Bauernjungen sie mit den Händen. Man glaube aber nicht, daß die Wachteln dort einen Gegenstand gastronomischen Genusses bildeten – nein, eine solche Verderbtheit der Sitten war zu den Einwohnern des Landes nicht gedrungen. Die Wachtel ist ein Vogel, der von Urbeginn an nicht zum Essen bestimmt war. Er erfreute dort die Menschen durch seinen Gesang; darum hing fast in jedem Hause unter dem Dache eine Wachtel in einem Holzkäfig.
    Der Dichter und Träumer wäre auch von der Gesamtansicht dieser bescheidenen und ungekünstelten Gegend nicht befriedigt. Es würde ihm nicht gelingen, dort einen Abend in schweizerischer oder schottischer Art zu sehen, da die ganze Natur, der Wald, das Wasser, die Wände der Hütten und die sandigen Hügel, alles in purpurnem Widerschein erglüht; wenn sich auf dem roten Hintergrunde eine der sich schlängelnden sandigen Straße folgende Kavalkade von Männern scharf abhebt, die irgendeine Lady auf ihrer Spazierfahrt nach einer düstern Ruine begleitet haben und die in das sichere Schloß eilen, wo sie eine vom Großvater erzählte Episode aus dem Krieg der zwei Rosen, eine Gemse zum Abendessen und eine von einer jungen Miß zur Laute gesungene Ballade erwartet, Bilder, mit denen Walter Scott unsere Phantasie so reich bevölkert hat. Nein, in unserer Gegend gab es nichts Ähnliches.
    Wie still und schläfrig ist alles in den drei, vier Dörfchen, aus denen der Winkel besteht! Sie waren nicht weit voneinander entfernt und schienen zufällig von einer Riesenhand hingeworfen zu sein, sich nach allen Richtungen hin zerstreut zu haben und seitdem so dazuliegen. Die eine Hütte, die an den Absturz des Grabens hingeraten ist, hängt seit undenkbaren Zeiten so da, indem sie mit der einen Hälfte in der Luft hängt und sich auf drei Pfähle stützt. Drei, vier Generationen hatten ruhig und glücklich darin gelebt. Es scheint, ein Huhn sollte sich hineinzugehen fürchten; darin lebt aber mit seiner Frau Onissim Suslow, ein solider Mann, der sich seiner vollen Größe nach in seiner Wohnung nicht aufstellen könnte. Nicht jeder kann in Onissims Hütte eintreten; nur wenn der Besucher sie darum bittet, den Rücken dem Wald und den Eingang ihm zuzuwenden 1 . Die Stufen hingen über dem Graben, und man mußte, um mit dem Fuße hinaufzugelangen, sich mit der einen Hand am Gras und mit der zweiten am Dach des Hauses festhalten und dann geradeaus auf die Stufen steigen. Ein zweites Haus klebte wie ein Schwalbennest am Hügel; drei Häuser stehn hier zufällig beisammen, und zwei andere befinden sich ganz auf dem Grunde des Grabens.
    Im Dorf ist alles still und schläfrig; die Hütten stehn weit offen; man sieht keine Seele; nur die Fliegen wirbeln in Wolken umher und summen in der Hitze. Wenn man ins Haus tritt, ruft man vergeblich laut nach jemand. Totes Schweigen ist die Antwort; selten ertönt das schmerzliche Stöhnen oder dumpfe Husten einer alten Frau, die auf dem Ofen ihren Tod erwartet, oder es erscheint hinter dem Wetterverschlag ein barfüßiges, langhaariges dreijähriges Kind, das nichts als ein Hemd anhat, den Eintretenden schweigend und starr anblickt und sich schüchtern

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