Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
einfach mit Betty weitergegangen und hätte nur nebenbei über die Schulter gewinkt, während wir links zum Klippenrand abbogen und Simon rechts zum Strandstreifen am Wasser, aber ich schaffte es nicht. Mein Verstand befahlmir zu laufen, aber meine Füße standen still. Hinter mir blieb Simon ebenfalls stehen.
»Ich setze mich kurz hin und ruhe mich aus«, sagte Betty leise und drückte meine Hand. Sie war die ganze Zeit vor uns hergegangen, als sei es taghell, als seien ihre Augen perfekt und ihr Körper in bestem Zustand. Mir war klar, dass sie nur eine Pause machte, weil sie meinte, dass Simon und ich die Zeit brauchten.
Sie hockte sich auf einen Felsen ein paar Meter entfernt, und ich wartete darauf, dass Simon etwas sagen würde. Als er es nicht tat, drehte ich mich fragend zu ihm um. Ein warmes Gefühl durchströmte mich bei seinem Anblick. Er zitterte in seiner sommerlichen Fleecejacke und sah mich an, als könne er sich nur mühsam davon abhalten, mich in die Arme zu schließen und vor allem zu beschützen, der Kälte und dem Wind, dem Regen und dem Hagel, der Vergangenheit und der Zukunft.
»Wann immer du bereit bist …«
Ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten.
»Wann immer du bereit bist … oder vielleicht auch nie … das ist völlig okay.«
Ich nickte, und die Tränen liefen mir heiß über die eiskalten Wangen. Die gleichen Worte hatte er gesagt, als wir das letzte Mal zusammen oben auf dem Kliff gestanden hatten und ich mich nicht getraut hatte zu springen. Selbst jetzt, nach allem, was passiert war, ließ er mir noch die Wahl, umzudrehen und den Pfad wieder hinunterzugehen. Er würde in jedem Fall zu mir halten.
Plötzlich wollte ich ihm alles erzählen, was ich herausgefunden hatte–über Big Papa, meine Mutter und mich selbst. Ich wollte ihn wissen lassen, dass es keine Rolle spielte, weil meine Gefühle für ihn nichts mit Kontrolle, Macht oder Ego zu tun hatten, sondern einfach nur mit ihm. Und mit mir.Und damit, dass ich in seiner Gegenwart die Dunkelheit nicht mehr fürchtete, sondern erkannt hatte, dass in ihr jedes kleine Licht umso heller strahlte.
Doch Simon sprach, bevor ich die richtigen Worte fand.
»Ich liebe dich, Vanessa, und ich werde auf dich warten.«
Ich blickte ihn geradewegs an, ging auf ihn zu und hob den Kopf, so dass ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spürte. »Sei vorsichtig«, flüsterte ich.
In diesem Moment wünschte ich mir nur, ihn küssen zu können und zu spüren, wie sich sein Mund beruhigend gegen meinen drückte. Doch ich wehrte das Gefühl ab, nahm die Sporttasche entgegen, die er mir reichte, und begann, den Bergpfad hinaufzusteigen.
Zuerst konnte ich noch hören, wie der Hagel unter seinen Stiefeln knirschte, während er auf dem anderen Weg verschwand. Doch seine Schritte verklangen rasch, als die Distanz zwischen uns zunahm, und bald waren Betty und ich ganz allein bei tiefer Nacht im tiefen Wald. Meine einzige Beruhigung war, dass ich mir diesmal keine Gedanken über Monster oder Spukgestalten zu machen brauchte, die uns folgten und darauf lauerten, uns im passenden Moment vom Pfad zu zerren.
Denn zur Abwechslung wusste ich genau, wo die Monster steckten. Wir marschierten direkt auf sie zu.
K APITEL 25
I ch spürte sie, bevor ich sie sah. Diesmal wusste ich, warum sich mein Schädel in ihrer Nähe immer anfühlte, als würde er gleich in eine Million Splitter explodieren. Weil es durch meine Abstammung zwischen Zara Marchand und mir eine Art von Verbindung gab.
Ich knipste die Taschenlampe aus, bevor ich das Ende des Pfads erreichte. Auch so konnte ich Zara und Caleb sehen, denn sie waren von dem silbernen Licht umhüllt, das aus dem Meer heraufstrahlte. Gemeinsam standen sie am Klippenrand und blickten einander an. Zara trug ein langes rotes Sommerkleid, das ihr nass am Körper klebte. Die schwarze Haarmähne fiel ihr ungezähmt über den Rücken, und sie starrte Caleb schwärmerisch an.
Sie sagte etwas, und er lächelte. Sie zitterte, und er rieb ihr die nackten Arme warm, wie er es zuvor so oft für Justine getan hatte. Dann zog er sie näher an sich, umfing ihre Taille mit den Armen und drückte das Gesicht in ihr Haar, während sie ihren Kopf an seine Brust legte. Die beiden sahen aus wie jedes Liebespaar, das alles um sich herum vergessen hatte.
Unser Plan bestand darin, Zara glauben zu lassen, dass Caleb ihre Gefühle endlich erwiderte. So wollte er sie zum richtigen Zeitpunkt oben auf die Klippen bringen,
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