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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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1
    Flynn erinnerte sich an den Abend seines Todes deutlicher als an jeden anderen in seinem Leben. Von den wilden Abhängen in seinen Träumen bis hin zu seinem Sturz durch das Eis, in das dunkle Wasser darunter und hinaus auf die Straße in die Nacht.
    Er hatte so etwas wie eine Vorahnung gehabt, als er die lange schmale Kurve zur Villa der Shepards hochgefahren war. Der Sturm war seit einer halben Stunde vorbei gewesen, aber dann hatte ein Windstoß mehrere Eiszapfen aus den Baumwipfeln gelöst. Sie schlugen so unerwartet und mit solcher Wucht auf sein Dach, dass er überreagierte. Die Bremsen blockierten, und der 66er-Charger seines verstorbenen Bruders geriet ins Schlittern. Er ging vom Gas runter und steuerte gegen. Vertraute, gelassene Bewegungen für jemanden, der in seiner Jugend häufig Straßenrennen gefahren war. Das Sperrdifferenzial bekam den Wagen sofort wieder in
den Griff. Die Reifen erwischten ein trockenes Stück Pflaster und kreischten auf wie ein ängstliches Tier.
    Sein Magen zog sich zusammen. Es war eines dieser unguten Gefühle, die er normalerweise zu ignorieren versuchte. Vor seinem Tod war er ein noch größerer Idiot gewesen.
    Es gab keine Straßenbeleuchtung hier in dieser noblen Gegend am Nordufer von Long Island. Vielleicht war es ein Zeichen von Reichtum, dass man sich ganz allein durch die Nacht schlängeln musste.
    Er blickte durch das vereiste Fahrerfenster und sah die Welt wie einen Film Noir vorbeiziehen. Schwarzweiß und extrem scharf an den Rändern.
    Von dem Moment an, als er die beiden hellen Figuren bemerkte, die wie weiße Spitze über dem schneebedeckten Rasen schwebten und sich im Mondlicht aufeinanderzu- und dann wieder auseinanderbewegten, hatte er noch fünfzig Minuten zu leben.
    Flynns Scheinwerfer leuchteten über das Gelände, und sofort breitete sich wieder diese düstere Unruhe in seiner Brust aus. Es war später November, der schlimmste Winter seit zehn Jahren, und während sich die Nacht wie ein samtenes Tuch über sie legte, tanzte dort im vereisten Vorgarten ein Mädchen mit einem Hund, und weit und breit keine Eltern in Sicht.
    Das war kein gutes Zeichen, aber er wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die meisten anonymen Hinweise an den Child Protective Service waren auf die Nachbarn zurückzuführen. Nur dass die Shepards keine Nachbarn in Sichtweite hatten. Rings um das riesige Haus erhob sich dichtes Gestrüpp.

    Es war ein dreistöckiger Bau aus den späten Siebzigern, als Art déco allmählich aus der Mode geriet. Man hatte ein hübsches kleines Anwesen hinter einem Haufen Mörtel und Fels versteckt, mit jeder Menge Metall und hell erleuchteten leeren Fenstern, die aussahen wie große, blinde Augen. Flynn empfand das als schizophren. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, in so einem Haus zu leben, auch wenn es auf dem freien Markt wahrscheinlich für eineinviertel Millionen wegging, wenn nicht eineinhalb.
    Der Anrufer hatte gesagt, unter dieser Adresse sei ein Kind in Gefahr. Sonst nichts. Das war auch nicht nötig. Mehr brauchte der CPS nicht. Wenn jemand behauptete, das Wohl eines Kindes sei gefährdet, musste man sich in Bewegung setzen, auch wenn draußen ein Schneesturm tobte.
    Das Mädchen hörte auf herumzuhüpfen, stand bewegungslos da in ihrem weißen Skianzug und den Schneestiefeln und beobachtete ihn. Der Hund war eine französische Bulldogge, ebenfalls weiß, bis auf einen schwarzen Ring um das eine Auge. Er trug einen weißen Strickpullover und kleine Plastikstiefelchen. Er saß neben ihren Füßen, den Kopf zur Seite gelegt, und betrachtete Flynn aufmerksam, als er aus dem Wagen stieg. Das einzige bisschen Farbe kam aus den riesigen Fenstern und von den beiden bronzefarbenen Laternen links und rechts der Doppelgarage.
    Im Schein der Lampen sah er, dass das Mädchen ungefähr sieben sein musste. An ihrem Kinn klebte Schnee. Als er auf sie zukam, brach sich ihr Atem in Form wei ßer Kringel an seinem Bauch.

    Er musste behutsam vorgehen. Es war jedes Mal eine knifflige Angelegenheit. Sollte das Kind erschrecken und schreiend in Daddys Arme flüchten, war der Ärger vorprogrammiert. Man musste locker und freundlich bleiben. Allein schon, wenn man den Leuten erzählte, dass man vom Suffolk County CPS kam, gingen sie sofort in die Defensive. Ein falsches Wort, und gleich war die Hölle los. Sie gingen mit Händen und Füßen auf einen los und Schlimmeres. Niemand ließ sich gern als Kinderschänder bezeichnen, nicht mal die, die

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