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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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… er will sich selbst verteidigen … aber er hat keine einzige Möglichkeit, null, die Leute wollen seinen Kopf, und sie sollen ihn haben.«
    »Es war nicht allein seine Schuld.«
    »Das hat überhaupt nichts zu sagen, Savigny. Er war der Kapitän. Er hat die Alliance ins seichte Wasser gefahren, er hat beschlossen, das Schiff zu verlassen, und zum guten Schluß war er es wieder, der Sie alle in dieser höllischen Mausefalle sich selbst überlassen hat …«
    »Schon gut, schon gut, lassen wir das. Wir sehen uns im Gerichtssaal.«
    »Da wäre noch etwas …«
    »Lassen Sie mich gehen, Parpeil.«
    »Advokat Parpeil, danke schön.«
    »Leben Sie wohl.«
    »Nein, Sie können jetzt nicht einfach fortgehen.«
    »Was ist denn noch?«
    »Ach, etwas Leidiges … eine Belanglosigkeit, aber wissen Sie, es ist besser, man ist vorsichtig … also, es geht das Gerücht … wie es scheint, hat jemand ein … nennen wir es ein Tagebuch, geschrieben, eine Art Tagebuch über die Tage auf dem Floß … es soll sich um einen Seemann handeln, was schon genügend aussagt über die Seriosität der Angelegenheit … stellen Sie sich einen Seemann vor, der schreibt, eine Absurdität, zweifellos, aber immerhin scheint es so, daß einer der Überlebenden …«
    »Thomas. Thomas konnte schreiben.«
    »Bitte?«
    »Nein, nichts.«
    »Gut und schön, in diesem Tagebuch sollen Dinge stehen … die irgendwie … sagen wir, peinlich sind … mit anderen Worten wird die Geschichte da etwas anders dargestellt, als Sie und die anderen sie wiedergegeben haben …«
    »Er las auch. Bücher. Er konnte lesen und schreiben.«
    »Herrgott noch mal, wollen Sie mir gefälligst zuhören?«
    »Ja?«
    »Versuchen Sie, mich zu verstehen, es bedarf nur einer Kleinigkeit, um eine Verleumdung heraufzubeschwören … was Ihren Ruin bedeuten könnte … ich frage mich also, ob Sie im Falle eines Falles bereit wären, eine gewisse Geldsumme einzusetzen, Sie verstehen mich, es gibt keinen anderen Weg, um sich vor Verleumdungen zu schützen, und andererseits ist es besser, die Sache abzuwürgen, bevor … Savigny! Wo, zum Teufel, gehen Sie hin? Savigny! Schauen Sie, es ist überhaupt nicht angebracht, beleidigt zu sein, ich habe das nur zu Ihrem Besten gesagt, schließlich bin ich vom Fach …« 
     
    »Ihre Aussage war sehr wertvoll, Doktor Savigny. Das Gericht dankt Ihnen und bittet Sie, sich zu setzen.«
    »…«
    »Doktor Savigny …«
    »Ja, Verzeihung, ich wollte …«
    »Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«
    »Nein … oder vielmehr … eines nur … Ich wollte sagen, daß … das Meer etwas anderes ist … man kann nicht beurteilen, was da drinnen geschieht … das Meer ist etwas anderes.«
    »Doktor, Sie stehen hier vor einem Gericht der königlichen Marine: Es weiß sehr gut, was das Meer ist.«
    »Glauben Sie?« 
     
    »Glauben Sie mir, es war sehr aufregend für mich, Ihr entzückendes Büchlein zu lesen, eine zu große Aufregung gar für eine alte Dame wie mich …«
    »Marquise, was sagen Sie denn da …«
    »Es ist die Wahrheit, Doktor Savigny, das Buch ist so … wie soll ich sagen … derart realistisch, genau, ich las es, und mir war, als wäre ich dort auf dem Floß, mitten im Meer, es ließ mich schaudern …«
    »Sie schmeicheln mir, Marquise.«
    »Nein, nein, das Buch ist wirklich …«
    »Guten Tag, Doktor Savigny.«
    »Adele …«
    »Adele, meine Tochter, man läßt einen so beschäftigten Mann wie Doktor Savigny nicht so lange warten …«
    »Oh, ich bin sicher, du hast ihn mit tausend Fragen über seine Abenteuer gequält, stimmt’s, Savigny?«
    »Es ist ein Vergnügen, sich mit Ihrer Mutter zu unterhalten.«
    »Es fehlte nicht viel, und der Tee wäre kalt geworden.«
    »Sie sind hinreißend, Adele.«
    »Danke.«
    »Noch eine Tasse, Doktor?« 
     
    »Hatte er dunkle Augen?«
    »Ja.«
    »Großgewachsen, schwarze, glatte Haare …«
    »Im Nacken zusammengebunden, mein Herr.«
    »Ein Seemann?«
    »Das könnte sein. Aber er war … normal gekleidet, beinahe elegant.«
    »Und er hat seinen Namen nicht genannt.«
    »Nein. Er hat nur gesagt, daß er wiederkommt.«
    »Daß er wiederkommt?« 
     
    »Wir haben ihn in einem Gasthaus am Fluß aufgegriffen … durch Zufall … wir suchten zwei Deserteure und sind so auf ihn gestoßen … er sagt, er heißt Philippe.«
    »Und er hat nicht zu fliehen versucht?«
    »Nein. Er hat protestiert, er wollte wissen, warum wir ihn mitnahmen … das übliche … Hier entlang, Savigny.«
    »Und was habt ihr ihm

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