Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres
gar nicht mehr enden wollte. Die Diener im Hause Ancher wußten nicht, was sie tun sollten, es gab kein Mittel, ihn zum Aufhören zu bewegen, weder im Guten noch im Bösen, er platzte schier vor Lachen, eine verwirrende Angelegenheit, die zudem auch noch ansteckend wirkte; wie man weiß, fängt einer an, und alle anderen tun es ihm nach, das ist das Gesetz des Lachkrampfes, es ist wie die Pestilenz, man will ernst bleiben und bringt es nicht fertig, es ist unumgänglich, da kann man nichts machen, und so gaben die Diener einer nach dem anderen nach, obwohl sie eigentlich nichts zu lachen und im Gegenteil Anlaß genug hatten, sich angesichts der peinlichen, wenn nicht gar dramatischen Situation Sorgen zu machen, aber sie konnten nicht widerstehen, und einer nach dem anderen lachten sie wie die Irrsinnigen, zum Sich-in-die-Hose-Machen, wenn Sie verstehen, was ich meine, zum Sich-in-die-Hose-Machen, wenn sie nicht achtgaben. Schließlich legten sie ihn zu Bett. Aber er lachte sogar in der Horizontale weiter, und mit welcher Begeisterung, in welchem Ausmaß, ein wahrer Ausbund an Gelächter unter Glucksen, Tränen und Erstickungsanfällen, aber unbändig, ein wahrer Ausbund. Anderthalb Stunden später lachte er immer noch. Und er hatte nicht eine Sekunde damit aufgehört. Die Diener waren inzwischen am Ende ihrer Kräfte, sie liefen aus dem Haus, um dieses lachhafte, ansteckende Geschluchze nicht mehr anhören zu müssen, sie suchten das Weite, denn ihre Gedärme krümmten sich schon im Schmerz vor lauter Gelächter, sie versuchten, sich zu retten, man kann sie gut verstehen, es ging beinahe schon um Leben und Tod. Einfach unglaublich. Dann, auf einmal, hörte Bartleboom ohne Vorankündigung auf, als hätte er eine Ladehemmung, wurde unvermittelt ernst, schaute sich um, hatte den Diener im Blick, der ihm zufällig am nächsten war, und sagte völlig ernst zu ihm: »Haben Sie eine Mahagonikassette gesehen?« Dem schien es kaum wahr zu sein, daß er sich nützlich machen konnte, bloß damit jener endlich aufhörte. »Hier ist sie, Herr Bartleboom.«
»Schon gut, ich schenk’ sie Ihnen«, sagte Bartleboom und fing aufs neue an mit dem Gepruste, wie ein Verrückter, als hätte er einen unwiderstehlichen Witz gerissen, den schönsten seines Lebens, den größten, den witzigsten aller Witze, sozusagen. Von da an hörte er nicht mehr auf.
Die ganze Nacht verbrachte er unter großem Gelächter. Abgesehen von den Dienern im Hause Ancher, die nun mit Watte in den Ohren herumliefen, war es auch für das ganze Städtchen, das friedliche Hollenberg, eine lästige Angelegenheit, weil Bartlebooms Gelächter die eigentlichen Grenzen des Hauses wohl überwand und sich in der nächtlichen Stille ausbreitete, daß es nur so eine Freude war. Von Schlaf konnte keine Rede sein. Es war schon viel, wenn man ernst bleiben konnte. Und anfangs schaffte man es auch, ernst zu bleiben, vor allem, wenn man die Irritation wegen der Ruhestörung bedachte, aber dann ging der gesunde Menschenverstand schnell baden, und der Bazillus des Lachkrampfes breitete sich unaufhaltsam aus, befiel alle ohne Ausnahme, Männer und Frauen, nicht zu reden von den Kindern, wirklich alle. Wie eine Epidemie. Da gab es Häuser, in denen seit Monaten nicht mehr gelacht wurde, in denen man sich nicht einmal erinnerte, wie das ging. Leute, die tief in ihren Groll versunken waren und in ihr Elend. Den Luxus eines Lächelns hatten sie sich seit Monaten nicht gegönnt. Und in jener Nacht lachten sie hemmungslos, allesamt, daß sich die Bäuche bogen, noch nie hatte es so etwas gegeben; nachdem die Maske ihres unaufhörlichen Griesgrams gefallen war, erkannten sie sich kaum wieder, als sie sich gegenseitig offen ins Gesicht lachten. Eine Offenbarung. Da wurde die Freude am Leben zurückgewonnen, da sah man, wie eines nach dem anderen die Lichter wieder angezündet wurden in dem Städtchen, und man hörte, wie die Häuser vor lauter Lachen einkrachten, ohne daß es eigentlich etwas zum Lachen gab, sondern einfach so, wundersam, als sei gerade in jener Nacht das Faß der kollektiven und einhelligen Ergebenheit übergelaufen und wäre zum Wohl jeglichen Elends in hochheilige Flüsse voller maßlosem Gelächter in die gesamte Stadt ausgelaufen. Ein Konzert, das zu Herzen ging. Etwas Wunderbares. Und er, Bartleboom, dirigierte den Chor. Das war sozusagen seine Stunde. Und er dirigierte meisterhaft. Eine denkwürdige Nacht, sage ich Ihnen. Fragen Sie nach. Ein Feigling, der nicht
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