Odice
offenbar sehr gefragter und ausgesprochen hochpreisiger New Yorker Fotograf. Allerdings fehlte ihm das de im Namen und so war es gut möglich, dass es sich lediglich um einen Namensvetter handelte. Trotzdem fand Odice, dass es nicht schaden würde, sich einige seiner Arbeiten anzusehen.
Das erste, was google zu Tage förderte, waren einige im edlen Schwarz-Weiß aufgenommene Fotostrecken für namhafte amerikanische Mode- und Lifestyle-Magazine. Odice mochte den strengen Stil und die exzentrische Note dieser Bilder, die allesamt sehr minimalistisch im Dekor waren und dabei die haptische Qualität der beworbenen Mode und die Körperlichkeit der Models stark betonte. Neben den Arbeiten für bekannte Modelabels und Hochglanzmagazine gab es auch einige Portraitaufnahmen von Prominenten, die Odice auf Anhieb ansprachen. Die Portraitierten wirkten auf diesen Bildern unverfälscht, lebensnah, fast schmerzhaft real. Ohne Weichzeichner und aus größtmöglicher Nähe fing die Kamera genau das ein, was diese Leute doch für gewöhnlich am allerwenigsten von sich preisgeben wollten: Fältchen, Muttermale, schiefe Zähne, der feine Flaum auf den Wangen. Und doch schienen sie so gelöst und frei vor der Kamera dieses Fotografen, dass man diese Gesichter, die so omnipräsent waren, dass man eigentlich meinte, ihnen schon hundert- und tausendmal begegnet zu sein, wie zum ersten Mal sah.
Es war seltsam und ein bisschen ironisch zugleich. Obwohl dieser Mann ein Starfotograf war, der offenbar in den höchsten Kreisen der New Yorker Society verkehrte und deren Mitglieder regelmäßig vor seine Kamera lockte, gab es von ihm selber nicht ein einziges Foto.
Fast tat es Odice ein bisschen leid, dass ein derart begnadeter Künstler, der so viel Erfolg in Übersee hatte, wohl kaum einer der verruchten Brüder sein würde, die willige Frauen zu wilden Orgien auf ihr Loire-Schloss einluden.
Odice wollte ihr Notebook gerade zuklappen, als sie auf einen weiteren Fund der Suchmaschine aufmerksam wurde. Es war ein Unterverzeichnis der offiziellen Webpräsenz des Künstlers, bei dessen Besuch der Nutzer versichern musste, dass er die Volljährigkeit erreicht hatte. Unter dem unspezifischen Titel The unknown Lautréamont verbargen sich Fotografien, die Odice die Luft anhalten ließen.
Nun bestand kaum noch ein Zweifel daran, dass der New Yorker Fotograf und der französische Aristokrat ein und dieselbe Person sein mussten.
Das erste Bild, das Odice aufrief, zeigte ein schlankes, großgewachsenes Model mit langen dunklen Haaren auf mörderischen High Heels, zwischen dessen Fußgelenken eine Eisenstange angebracht war, die ihre Beine spreizte. Eine weitere Stange führte vom Boden geradewegs in ihren Schritt, wo sie verschwand. Ihre Arme waren über den Kopf gestreckt und an den Handgelenken mit einer Eisenkette gefesselt, die an einer Öse in der Decke des sterilen Industrie-Lofts befestigt war. Die Frau wirkte wie aufgespießt und blickte dabei so selbstbewusst und hochmütig in die Kamera, dass es ihre missliche Lage Lüge strafte. Diese Frau war nicht devot – sie war ein Vamp.
Mit fiebrigen Fingern klickte Odice weiter.
Die nächste Fotografie zeigte eine ebenso attraktive nackte Frau, die auf einem Stuhl an einer üppig gedeckten Tafel saß. Erst auf den zweiten Blick erkannte Odice, dass ihre Arme streng auf dem Rücken hinter der Stuhllehne gefesselt waren und ihre beeindruckenden Brüste so stark hervortraten, weil sie mit dicken Tauen umwickelt waren.
Obwohl sie diese Aufnahmen objektiv schockierten, spürte Odice die Feuchtigkeit, die sich zwischen ihren Beinen sammelte, während sie zu der nächsten Fotoarbeit wechselte.
Dieses Bild zeigte zur Abwechslung einen Mann und eine Frau. In einem Raum, der mit seinem kunstvoll gelegten Parkettboden, dem Bogenfenster, dem Kronleuchter und der hohen stuckverzierten Decke an ein Schloss erinnerte, war eine wiederum nackte Frau mit gespreizten Beinen an einen antiken Schreibtisch gekettet. Der mit dem Rücken zur Kamera stehende Mann im makellosen schwarzen Anzug mit weißem Hemdkragen und antiken Manschettenknöpfen drückte den Oberkörper der Frau auf die Tischplatte und nahm sie von hinten.
Die letzte Fotografie, die sich Odice ansah, war in einer parkähnlichen Landschaft angesiedelt. Eine blonde Frau war mit einem derben Strick an den Handgelenken an den Ast eines großen Laubbaumes gefesselt. Der weiße Spitzenslip, den sie trug, unterstrich noch ihre Schutzlosigkeit und ihre
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