Odice
küsste und seine undurchdringlichen, dunklen Augen dabei tief in die ihren blickten, wusste sie, dass diese Begegnung nicht folgenlos bleiben würde.
»Ich bin hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mademoiselle. Bitte verzeihen Sie mein Zuspätkommen, ich wurde aufgehalten«, erklärte er mit einer angenehm tiefen, ein wenig rauen Stimme, wobei seine Onyxaugen sie noch immer nicht aus ihren Fängen entließen.
Dann erst wandte er sich Pascal zu, begrüßte ihn mit einem förmlichen Handschlag, legte Mantel und Schal ab und nahm zwischen ihnen Platz. Er behielt seinen perfekt sitzenden Tom-Ford-Sakko an und Odice fielen die gediegenen Manschettenknöpfe an seinen Handgelenken auf und auch die betonte Lässigkeit des offenen Kragens seines weißen Maßhemdes entging ihr nicht.
Eine Weile verlief das Gespräch im gewöhnlichen Small-Talk-Bereich, wobei Pascal bemüht war, als Moderator zu fungieren. Doch als die Gespräche an den anderen Tischen immer lauter wurden und man frei sprechen konnte, kamen sie zum eigentlichen Thema.
»Wie mir Ihr Bekannter berichtete, sind Sie an unseren Diensten interessiert, Mademoiselle?« fragte Eric de Lautréamont geradeheraus und Odice spürte, wie ihr die Gesichtszüge entglitten und ihr gleichzeitig das Blut in den Kopf schoss.
»So kann man das wohl eher nicht formulieren«, beschied sie ihn kühl. »Ehrlich gesagt sind mir Ihre ominösen Dienste noch immer völlig schleierhaft.«
»Was glauben Sie denn, was wir tun?« wollte Eric de Lautréamont wissen und lächelte sie offen an.
»Nun, ich glaube, dass Sie psychisch labile Frauen schlagen und demütigen, unter dem Deckmantel des gegenseitigen Einvernehmens.«
»Warum meinen Sie, sollten sich Frauen auf eine solch unvorteilhafte Übereinkunfteinlassen?« fragte er weiter und erschien ihr dabei eher wie ein Psychiater als wie ein Sexclub-Besitzer.
Odice fragte sich, wie er die Gesprächssituation einfach so mühelos hatte umkehren können und sie ärgerte sich, dass sie auf diese Finte hereingefallen war.
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht und ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich vermute, dass diese Frauen mit der Bürde der Emanzipation hadern und sich in die Rolle des unter dem Pantoffel des Gatten stehenden Hausmütterchens zurücksehnen. Verantwortung abzugeben und für Vergehen bestraft zu werden erscheint ihnen vielleicht wie ein stringenter und konsequent primitiver Lebensentwurf in unserer komplexen Welt. Allerdings würde ich solchen Frauen eher eine psychologische denn eine sexuelle Therapie empfehlen.«
»Da würde ich Ihnen voll und ganz zustimmen, Mademoiselle. Aus diesem Grund würden wir Klientinnen, wie die von Ihnen beschriebenen, auch niemals aufnehmen. Uns liegt nichts daran, die servilen oder masochistischen Neigungen und Fantasien instabiler Persönlichkeiten zu fördern und zu unterstützen. Wir sind nicht interessiert an Hausfrauen, die sich nach einer Tracht Prügel sehnen, wenn ihnen beim Staubwischen eine Vase von der Kommode gefallen ist. Wir wollen keine willigen Haus- und Sexsklavinnen züchten. Tätigkeiten wie nähen, putzen, kochen sind nicht Bestandteil unserer Seminare. Wir sind an Frauen wie Ihnen interessiert. An Frauen mit Selbstbewusstsein und Standing. Es geht darum, die eigenen Grenzen auszuloten, sich fallen zu lassen, sich selbst von einer anderen Seite kennenzulernen und einen Lustgewinn daraus zu ziehen. Am Ende eines Seminars soll keine gebrochene, sondern eine gestärkte, aber facettenreichere Persönlichkeit stehen. Eine die zu- und abgeben kann, die sich durchsetzen und nachgeben, führen und sich fallen lassen kann.«
»Sie sprechen von Stärkung durch Unterwerfung? Das klingt für mich nach einem Widerspruch in sich.«
»Das ist es in der Tat, wenn aus dem Verhältnis von Herr und Sklavin eine ebensolche Beziehung hervorgehen soll und die Rollen des dominanten und des submissiven Parts für eine dauerhafte Partnerschaft festgeschrieben werden. Dieses Ziel ist bei unseren Seminaren aber nicht vorgesehen. Es geht um reine Erfahrungen.«
»Wie finanzieren sich diese sexuellen Selbstfindungstrips?« wollte Odice wissen.
»Ich nehme an, Sie spielen auf die Tatsache an, dass wir unsere Dienste unentgeltlich anbieten? Nun, das ist in der Tat korrekt. Unsere Klientinnen sind wohlsituiert und wir sind es auch. Wir betreuen im Jahr nur zwei bis drei Klientinnen für jeweils zwei bis vier Wochen. Mein Bruder und ich ziehen unseren sexuellen Nutzen aus den
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