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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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durch den Schnee.
    Der Schmied sagte nichts, bis sie die ersten Häuser des Dorfes erreicht hatten, und auch da begnügte er sich damit, einige Worte in Onkel Eskilds Ohr zu flüstern. Glücklicherweise ließ Onkel Eskilds Gehör ein wenig zu wünschen übrig, sodass der Schmied seine Worte fünfmal wiederholen musste und beim fünften Mal so laut, dass der Bäckermeister, der neben Onkel Eskild ging, nicht umhin konnte zu hören, was gesagt wurde.
    »Er muss vom Kontinent gekommen sein.«
    Sofort wiederholte der Bäckermeister diese verblüffende Äußerung für die Leute um ihn herum, die sie für die hinter sich wiederholten, bis die Worte die Kinder erreicht hatten und zwischen den Reihen hin- und hergingen, und bald wussten alle in Smedieby, was der Schmied gesagt hatte: Der Fremde war vom Kontinent gekommen. Und das war wirklich eine Neuigkeit, denn zum letzten Mal war jemand vom Kontinent gekommen, als die Urururgroßmutter der alten Rikke-Marie noch ein Kind gewesen war, und das lag so lange zurück, dass niemand sich mehr daran erinnern konnte.

    Da man jedoch nicht so ohne weiteres darauf vertrauen konnte, was die Erwachsenen sagten, sammelten sich die Kinder um Ida-Anna, die in der Prozession etwas zurückgeblieben war. Seit sie mit dem Fremden gesprochen hatte, war Ida-Anna ungewöhnlich still; sie hatte tatsächlich nicht ein einziges Wort gesagt. Während sie das Pferd des Fremden getätschelt hatte, hatte Ida-Anna etwas Merkwürdiges entdeckt: von den Schlittenkufen war keine Spur im Schnee zu sehen, weder vor noch hinter dem Schlitten, und es gab auch keine Abdrücke von Pferdehufen. Den ganzen Weg zurück ins Dorf hatte Ida-Anna darüber nachgedacht, und jetzt wusste sie, warum das so war. Ida-Anna flüsterte den anderen Kindern zu, dass sie nicht hier reden wollte, wo die Erwachsenen mithören konnten. Aber später am Nachmittag, genau zu dem Zeitpunkt, wenn die Schafe für die Nacht hereingetrieben würden, sollten alle Kinder zu Onkel Josefs Scheune kommen. Dort würde sie ihnen erzählen, was sie herausgefunden hatte.
    Die Prozession hatte das Zentrum von Smedieby erreicht, einen ovalen Platz um einen kleinen Ententeich, der zugefroren und bis auf ein nasses Loch an einem Ende ganz mit Schnee bedeckt war. Insgesamt acht Häuser lagen zum Ententeich hin, alle waren aus großen, ungleichen Steinbrocken gebaut, mit schiefen Holzläden vor den Fenstern und tanggedeckten Dächern, die bis zu den Türen hinunterreichten. Nah am Teich stachen ein paar winterkahle Bäume aus den Schneewehen. Mutter Maries Haus lag nördlich vom Ententeich, und direkt hinter dem Haus befand sich ein Stall, der Odin zum Gebrauch angeboten wurde. Mithilfe des Schmieds, Onkel Eskilds und acht anderer Dorfbewohner bekam Odin Rigmarole von dem Schlitten gehoben und in den Stall getragen. Das Pferd wurde so bequem wie möglich auf ein dickes Bett aus Stroh gelegt, und Baltazar wurde neben ihm angebunden. Ida-Anna holte ein wenig Heu, und bald kauten die Pferde ganz zufrieden.
    Die Einwohner von Smedieby hatten sich samt und sonders in den Stall gedrängt und stießen und schubsten, um so nah wie möglich an den Fremden vom Kontinent heranzukommen. Aber Odin beachtete sie nicht. Er pfiff eine leise Melodie, als wäre er
alleine, beugte sich hinunter und ließ seine Hand vorsichtig über das Bein des unglückseligen Pferdes gleiten. Es war nicht nur an einer, sondern an zwei Stellen gebrochen. Ida-Anna brachte etwas Leinen von ihrer Mutter, das Odin in lange schmale Streifen riss, von denen er einen nach dem anderen um Rigmaroles Bein band. Odin brauchte lange, um sein Pferd zu verbinden, aber die ganze Zeit streiften die Einwohner Smediebys um ihn herum, um zuzusehen. Niemand von ihnen sagte etwas bis auf den Schmied, der in regelmäßigen Abständen zustimmende Laute und Worte von sich gab, um allen klar zu machen, dass der Schmied von Smedieby ganz genau wusste, was man mit dem gebrochenen Bein eines Pferdes zu machen hatte, auch wenn er bis zu diesem Nachmittag daran festgehalten hatte, dass mit so etwas gar nichts mehr zu machen sei. Schließlich war Rigmaroles Bein ganz in Mutter Maries Leinen gehüllt, und Odin tätschelte das Pferd und erhob sich; das musste bis auf weiteres reichen. Im gleichen Augenblick drängte sich Mutter Marie durch die Menge.
    »Jetzt, wo die Pferde versorgt sind, ist es an der Zeit, dass auch der Mann versorgt wird! «, erklärte sie nachdrücklich und nahm Odins Arm.
    Nachdem niemand, nicht

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