Odo und Lupus 04 - Die Witwe
sich, daß die Leute Rotharis bei der Begrüßung des neuen Herrn nicht fehlen wollten. Nur Thankmar schloß sich uns nicht an, der künftig in keiner Gefolgschaft Dienst tun, sondern nur noch sein Allod verwalten wollte. Er wollte auch seine Braut, die Luitgard, nicht allein lassen. Nach der Entlassung aus Garibalds Munt, die wir noch schriftlich verfügt hatten, lebte sie jetzt vorerst in der Mühle. Thankmar, der neue Herr des Salhofs, verabschiedete uns am Tor. Ganz zuletzt zog ihn Odo noch zu einem kurzen Gespräch beiseite. Es endete damit, daß ihn der junge Mann unter Freudentränen umarmte.
Als ich, schon unterwegs, neugierig nach der Ursache für diesen glücklichen Abschied fragte, sagte Odo:
„Ich sollte ihm noch etwas von seinem Freund Heiko ausrichten. Das hat ihn mächtig gefreut.“
„Es war also etwas Angenehmes?“
„Auch du wirst es noch erfahren, Vater, und ich bin sicher, es wird dich ebenfalls freuen. Wenn du mich auch dafür kaum umarmen wirst.“
„Willst du es mir nicht gleich sagen?“
„Wart es nur ab.“
„Warum hast du den Heiko eigentlich nicht zurückkommen lassen?“
„Geduld, Geduld! Du wirst ihn ja heute noch wiedersehen!“
Wir trafen den Grafen Hademar an der vereinbarten Stelle auf der Straße nach Würzburg. Auch er zog mit großem Gefolge daher, und so gab es ein tüchtiges Gedränge. Der Graf lud uns zu einem Becher Wein und kaltem Geflügel ein, und wir ließen uns seitlich unter Bäumen nieder. Das Gespräch wurde lebhaft, es war ja auch viel zu berichten. Gründlich besprachen wir Irmos Plan für den Bau einer Straße. Wir waren so vertieft, daß ich den Heiko gar nicht bemerkte, der schon eine Weile neben mir stand. Erst als er endlich das Wort an mich richtete und mich grüßte, blickte ich auf.
Ich glaube, es fehlte nicht viel daran, daß mich in diesem Augenblick der Schlag traf. Bisher hatte ich immer angenommen, die Auferstehung von den Toten sei unserm Herrn Jesus allein gelungen. Nun aber bemerkte ich neben Heiko ein Engelsgesicht mit frischen Pausbäckchen, das mich holdselig anstrahlte.
Die Meinrade!
Ich muß sie so fassungslos angestarrt haben, daß ringsum alle, die längst Bescheid wußten, in ein gewaltiges Gelächter ausbrachen.
„Nimm es nicht übel, mein Freund, daß du der letzte warst, der von diesem Wunder erfuhr“, sagte Odo, als wir später, die Reise fortsetzend, nebeneinanderritten. „Wir wollten dir die Aufregung ersparen.“
„Sag lieber, du warst nicht sicher, ob ich bei diesem Spiel auch mitmachen würde“, sagte ich streng.
„Ich widerspreche dir ungern. In der Tat …“
„In der Tat ist das alles ziemlich verantwortungslos! Was soll aus der armen Jungfrau nun werden?“
„Sie wird eine reiche Ehefrau.“
„Wie?“
„Nun, reich ist vielleicht übertrieben. Doch eine Mitgift von 300 Solidi …“
„Ach, glaubst du, daß Garibald so viel für seine entführte, entehrte Tochter …?“
„Er hat schon! Wir haben das Geld im Gepäck.“
„Was? Aber wie –“
„Als ich mich neulich zu ihm begab, um das Bußgeld für den Fiskus einzutreiben, hatte ich angesichts seiner Truhen voll ergaunerter Reichtümer, mit denen er auch noch protzte, einen glücklichen Einfall. Ich erhob weitere 300 Solidi wegen der Drohungen gegen mich. Das war ja ein Anschlag auf den König! Natürlich sträubte er sich zunächst. Aber ich ließ ihm nur die Wahl: entweder zahlen oder Hofgericht.“
„Da zahlte er lieber.“
„Zähneknirschend. Und so kamen wir zu der Mitgift.“
„Wahrhaftig, du bist ein Hort der Gerechtigkeit!“ sagte ich seufzend. „Erschwindelst Bußgelder … läßt eine Jungfrau verschwinden … täuschst die bedauernswerten Eltern …“
„Da du der irdischen Liebe entsagt hast, mein guter Vater“, erwiderte Odo lachend, „bist du auch nicht imstande, ihren Wert zu ermessen. Die Liebe zwischen den beiden dort wiegt alle meine Schandtaten auf!“ Er deutete auf das Pärchen, das einträchtig, ungeniert miteinander turtelnd, auf demselben Pferderücken dahinritt. „Kannst du dir übrigens vorstellen, was der Meinrade jetzt blühte, wenn wir sie nicht sterben lassen und zu Hademar in Sicherheit gebracht hätten?“
„Trotzdem, was immer Garibald wert ist“, versuchte ich einen letzten Einwand, „es war nicht richtig, ihn so zu erschrecken. Ihn und die arme Frau Bathilda. Indem du während der Gerichtsversammlung plötzlich die Todesnachricht …“
„Das tat ich nur deinetwegen, mein
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