Odo und Lupus 04 - Die Witwe
Bester!“
„Meinetwegen?“
„Es war ja die einzige Möglichkeit, den Thankmar zum Geständnis zu bringen. Die Erschütterung löste ihm die Zunge.“
„Und was hat das mit mir zu tun?“
„Ich hätte doch sonst einen Zeugen aufrufen müssen. Ein gewisses frommes Väterchen, das sich in Himbeersträuchern versteckte, um ein Liebespaar zu belauschen. Wäre dir das vielleicht angenehmer gewesen, mein ehrenwerter Klosterbruder und Königsbote?“
Jetzt blieb mir nichts anderes übrig als in sein Lachen einzustimmen.
„Die anderen beiden werden nicht glücklich“, sagte Odo nach einer Weile seufzend. „Obwohl sie nun auch bald heiraten werden. Die Luitgard liebte den Alten noch immer. Und ich glaube, sie wird nie damit aufhören.“
„Und du warst eifersüchtig!“
„Ja. Auf jenen unbekannten Liebhaber. Ich wollte wissen, was für ein Kerl das war, für den eine Frau das alles erlitt. Ich mußte es unbedingt herauskriegen. Hätte ich es lieber gelassen! Jetzt verstehe ich die Frauen noch weniger …“
Mittlerweile hat nun schon der Winter begonnen. Der Herr Kanzler gab mir die Erlaubnis, mich vollständig auszukurieren, und so hatte ich ein paar Wochen Zeit, um diese Erzählung niederzuschreiben. Jetzt sitze ich wieder an meinem Schreibpult in der Kanzlei, und alles geht seinen gewohnten Gang.
Ab und zu schaut Odo herein, um ein bißchen zu plaudern. Er hockt dann neben mir auf einem Schemel und sieht belustigt zu, wie ich Zeile um Zeile fülle. Das wäre wahrhaftig nicht seine Sache, er hat ja auch Größeres im Sinn.
Neulich beugte er sich zu mir und sagte, die Stimme dämpfend, damit es die andern im Raum nicht hören konnten:
„Ich habe eine Idee, Vater. Möchte dazu mal deine Meinung hören.“
„Nun?“
„Mit einer Jungfrau durchzubrennen und dafür zu sorgen, daß sie für tot gilt, ist als Methode doch sehr vernünftig. Habe ich recht? Man erspart sich Ärger, Verfolgungen … Was meinst du? Ob ich das mit der Rotrud wage?“
„Wie? Der Prinzessin Rotrud? Der Tochter des Königs?“
„Nicht so laut! Der Alte gibt sie nicht her. Ich habe mich bei Leuten aus seiner Umgebung erkundigt. Es hat gar keinen Zweck, um sie anzuhalten.“
„So. Und da willst du sie also ins Reich der Toten entführen. Und dann?“
„Dann werden wir irgendwo unerkannt glücklich sein.“
„Und wovon wollt ihr leben? Ohne Mitgift?“
„Nun, weißt du … ich könnte …“
„Ah, ich verstehe! Ein großer Plan! Willst du vielleicht auch vom König ein Bußgeld erpressen?“
Er sah mich an, halb verblüfft, halb erheitert.
„Darauf bin ich noch gar nicht gekommen! Ich glaube, darüber sollte ich nachdenken …“
Wie findest Du das, mein lieber Volbertus? Nun, ich hoffe, er bleibt vernünftig. Sonst ist es aus mit den Reisen als Königsbote. Seltsam, kaum bin ich gesund, packt mich schon wieder diese verdammte weltliche Lust auf Abenteuer, und ich fiebere dem nächsten Aufbruch entgegen. Aber was wäre ich allein ohne Odo?
Hüte Deine Gesundheit, mein teurer Vetter, und schließ mich in Deine Gebete ein. Bald wirst Du wieder Neues von mir erfahren.
Leb wohl!
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